|Rezension| Mein Mann – Maud Ventura
Eine Woche Wahnsinn – im Kopf einer obsessiven Ehefrau

„Meine Erleichterung lindert meinen Schmerz. Erleichterung tritt ein, wenn das, was man fürchtet, am Ende auch geschieht. Wenn wir Verstecken spielen und unser Versteck entdeckt wird. Wenn ein Verwandter, den wir sehr lieben, nach langer Krankheit stirbt. Wenn die Hauptfigur eines Horrorfilms von der scheußlichen Bestie gefasst wird, die sie die ganze Zeit gejagt hat.(…) Ich habe nichts mehr zu befürchten, weil das Schlimmste schon geschehen ist.“ (S.242)
Inhalt
Sie führt ein perfektes Leben mit dem perfekten Mann. Doch liebt er sie genau so sehr, wie sie ihn liebt? Sie muss es herausfinden. Und dazu ist ihr jedes Mittel recht.
Sie ist eine Frau, die alles hat: eine Karriere, ein schönes Haus, zwei wunderbare Kinder und den perfekten Ehemann, den sie nach 15 Ehejahren liebt wie am ersten Tag. Alles ist zu schön, um wahr zu sein. Und vielleicht ist es das auch gar nicht: Liebt auch ihr Mann sie so wie am ersten Tag? Und wird er sie immer lieben? Wie sicher kann sie sich sein? Sie will es wissen – und beginnt, ihren Mann auf die Probe zu stellen. Erst nur ein bisschen. Dann immer mehr. Und dann geht sie zu weit.
Mein Eindruck
In Mein Mann ist die Ich-Erzählerin nach fünfzehn Ehejahren noch immer ebenso verliebt in ihren Mann wie am ersten Tag. Was auf den ersten Blick nach einer romantischen Liebesgeschichte klingt, entpuppt sich schnell als beunruhigendes Psychogramm einer obsessiven Beziehung. Der Ehemann bleibt im gesamten Roman namenlos und wird ausschließlich als „mein Mann“ bezeichnet – ein sprachliches Detail, das viel über das Besitzdenken und die absolute Fixierung der Protagonistin auf ihren Gatten verrät. Er ist für sie nicht ein Mensch, sondern ein Spiegel ihrer Sehnsucht, ein Projektionsraum für Kontrolle, Hingabe – und Angst.
Die Geschichte spielt sich innerhalb einer Woche ab – die Kapitel sind nach den einzelnen Wochentagen benannt – und erlaubt einen zunehmend verstörenden Einblick in den Kopf einer Frau, die alles daran setzt, die perfekte Ehefrau zu sein. Dabei beobachtet sie ihren Mann mit übertriebener Akribie, interpretiert jedes Wort, jede Geste, jedes mögliche Anzeichen von Untreue oder Abwendung, stellt Fallen, kontrolliert sein Verhalten – und verliert sich dabei völlig selbst. Die Kinder? Nebensache. Ihr Selbstwert? Abhängig von seiner Zuneigung.
Diese psychologische Nähe ist faszinierend, aber auch fordernd. Als Leserin oder Leser ist man ständig hin- und hergerissen zwischen Amüsement, Ekel (Stichwort: „Schuppen“), Fassungslosigkeit und einer gewissen morbiden Neugier, wie weit diese Frau noch gehen wird. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer höchst originellen Geschichte belohnt, die nicht nur stilistisch überzeugt, sondern erzählerisch auch großes Kino bietet.
Leute, dieses Ende! Ihr müsst dieses Buch alleine wegen des Endes lesen! Klingt komisch, ist aber so! Das ist wirklich das beste, überraschendste, krasseste Ende, das ich seit langer Zeit gelesen habe. Selten hat mich ein Roman derart überrascht. Was sich da im letzten Kapitel offenbart, ist so drastisch, so unerwartet, so brillant konstruiert, dass man das Buch danach nicht so schnell aus dem Kopf bekommt. Allein dafür lohnt sich die Lektüre.
Mein Fazit:
Mein Mann ist ein ungewöhnlicher, klug erzählter Roman über obsessive Liebe und den schmalen Grat zwischen Hingabe und Selbstaufgabe. Maud Ventura schafft es, ihre Leserschaft tief in den Kopf einer Frau blicken zu lassen, deren Liebe zur Belastung wird. Sprachlich präzise, spannend aufgebaut und mit einem Ende, das sprachlos macht. Ein Debüt, das man nicht so schnell vergisst.