|Rezension| Der verschwundene Buchladen – Evie Woods
Schöne Hülle, schwieriger Stil – aber mit überraschender Tiefe

„Und das war es, was mich so unglücklich machte: das Hoffen. Ich erkannte, dass ich entweder das eine oder das andere aufgeben musste: Zufriedenheit oder Hoffnung.“ (S.38)
Inhalt
Zu lange waren Opaline, Martha und Henry nur Nebenfiguren in ihrem eigenen Leben.
Doch als diese drei ahnungslosen Fremden einen mysteriösen, verschwundenen Buchladen entdecken, wird alles anders. Dieser magische Ort zieht sie in ihren Bann und lässt sie erkennen, dass ihre eigenen Geschichten genauso außergewöhnlich sind wie die auf den Seiten ihrer geliebten Bücher. Während sie Geheimnisse lüften, tauchen sie in eine Welt voller Wunder ein, in der nichts so ist, wie es scheint.
Mein Eindruck
Eigentlich greife ich nur selten zu Fantasy-Romanen. Doch Der verschwundene Buchladen von Evie Woods fiel mir sofort ins Auge – vor allem wegen seines wunderschön gestalteten Covers. Für einen geplanten Buddy-Read mit einer Fantasy-begeisterten Freundin wollte ich ein passendes Buch verschenken. Dass in vielen Rezensionen betont wurde, es handele sich nicht um klassische Fantasy, sondern vielmehr um einen Roman mit viel Tiefgang und leisen magischen Elementen, machte mich neugierig. Also wagte ich den Versuch – und kaufte das Buch schließlich auch für mich selbst.
Der Einstieg fiel mir unerwartet schwer. Der Schreibstil wirkte auf mich altmodisch und sperrig. Zunächst vermutete ich, dies läge an der Figur Opaline, deren Handlungsstrang in den 1920er Jahren spielt. Doch auch die Abschnitte der beiden anderen Protagonist*innen – Martha und Henry –, deren Geschichten in der Gegenwart verortet sind, unterschieden sich stilistisch nicht. Mit der Zeit gewöhnte ich mich zwar an die Sprache und entdeckte auch einige schöne Textpassagen, doch der Eindruck blieb: Die Dialoge wirkten oft hölzern und künstlich. Ob dies bereits im Original so ist oder der Übersetzung geschuldet, kann ich nicht beurteilen.
Trotz dieser sprachlichen Schwächen übte der Roman eine überraschende Sogwirkung auf mich aus. Die Geschichte rund um die drei Figuren – Opaline, Martha und Henry – ist geschickt konstruiert und weckte bei mir den Drang, zu erfahren, wie ihre Lebenswege miteinander verwoben sind und was es mit dem titelgebenden, verschwundenen Buchladen auf sich hat.
Besonders berührt hat mich der historische Handlungsstrang um Opaline. In den 1920er Jahren flieht sie vor einer Zwangsheirat nach Wales und übernimmt dort einen alten Buchladen. Ihre Geschichte, insbesondere im letzten Drittel des Romans, entfaltet eine emotionale Tiefe, die mich stark mitgenommen hat. Angesichts der dramatischen Ereignisse kann ich persönlich kaum nachvollziehen, weshalb der Roman in manchen Besprechungen als „cozy“ bezeichnet wird – dieser Begriff scheint mir angesichts der teilweise schlimmen Szenen gar nicht passend.
In der Gegenwart begegnen wir Martha, die ebenfalls auf der Flucht ist – in ihrem Fall vor einem gewalttätigen Ehemann. Die Parallelen zwischen ihr und Opaline sind klar erkennbar und verleihen der Erzählung eine interessante Vielschichtigkeit. Henry, der sich auf die Suche nach seltenen Büchern und einem mysteriösen Buchladen macht, bringt zusätzlich bibliophile Motive ein, die das Herz von Buchliebhaber:innen höherschlagen lassen. Die zahlreichen Anspielungen auf reale Bücher und Autorinnen haben mir besonders gut gefallen.
Was mich jedoch nachhaltig gestört hat, war der Umgang mit einigen Handlungssträngen. Die Autorin scheint sich im Laufe des Romans ein wenig in ihren vielen Ideen verloren zu haben. Figuren wie Marthas Mutter, ihr Ehemann oder auch Madame Bowden werden eingeführt, aber später nicht konsequent weitergeführt oder aufgelöst. Einige Fäden verlaufen einfach im Nichts, was beim Lesen ein Gefühl der Unvollständigkeit hinterlässt. Auch viele Ungereimtheiten im Roman haben einen faden Beigeschmack hinterlassen: Eine Figur ist schwanger – so, dass man es noch nicht sieht – aber sie spürt schon die Tritte ihres Babys? Eine andere Figur hat in ihrem Leben noch nie ein Buch gelesen, will aber Literatur studieren? Ok.
Mein Fazit:
“Der verschwundene Buchladen” ist kein klassischer Fantasy-Roman, sondern ein genreübergreifendes Werk mit magischen Tönen, historischen Elementen und einem tiefen Verständnis für Literatur. Trotz sprachlicher Schwächen und einiger offener Handlungsstränge konnte mich die Geschichte emotional mitnehmen – besonders durch die bewegende Erzählung um Opaline. Ich habe nicht bereut, diesen Roman gelesen zu haben, aber würde kein weiteres Buch der Autorin lesen.