|Rezension| Geordnete Verhältnisse – Lana Lux
Eine erschütternde Geschichte großartig erzählt!
„Diese Bibliothek war mein Safe Space, lange bevor ich das Wort Safe Space kannte. Hier war die Welt in Ordnung. Anders als zu Hause durfte ich hier lesen, was ich wollte, ansehen, was ich wollte, denken, was ich wollte, sitzen, wie ich wollte, und sogar an den Nägeln kauen.“ (S.102)
Inhalt
Er sagt, sie sagt – Lana Lux zeigt zwei Seiten einer modernen Tragödie.
»Eine unerhörte Geschichte! Jeder Satz ist eine mit Schmerz und Lachgas gefüllte Pistolenkugel.« (Daniela Dröscher)
Wenn man seine Heimat verlassen muss, kommt es immer darauf an, wo man landet und welche Leute man kennenlernt. Faina landet in einer deutschen Kleinstadt und lernt in der Schule Philipp kennen, einen Jungen mit Wutausbrüchen, der Pflanzen lieber mag als Menschen, sich aber sehnlichst einen Freund wünscht. Faina soll dieser Freund werden, also bringt er ihr Deutsch bei, und wie man Weihnachten richtig feiert. Er macht sie zu seiner Faina. Jahre später ist Philipp der Typ mit Eigentumswohnung und fester Freundin, und Faina steht als verlassene, verschuldete Schwangere vor seiner Tür. Er lässt sie hinein, doch zu welchem Preis? “Geordnete Verhältnisse” ist eine Geschichte über Wut und Obsession – und eine Frau, die sich weigert, zum Besitztum eines Mannes zu werden.
Mein Eindruck
Dies ist wieder mal eines der Bücher, bei denen ich am liebsten nur schreiben würde: Lest es! Es ist krass gut.
Ich weiß schon: Ein paar Argumente für diese Behauptung wären hilfreich. Fangen wir also beim ersten Satz des Buches an: “Als ich am 3.März 1996 zehn Kerzen auf meiner halb gefrorenen Coppenrath & Wiese-Geburtstagstorte auspustete, wünschte ich mir einen besten Freund.” In diesem ersten Satz steckt so viel Traurigkeit. Er ist sinnbildlich für den Roman. Präzise und schnörkellos formuliert, lässt er aber viel Raum für Deutungen. Dies ist Lana Lux großes Talent. Sie formuliert sehr klar, nimmt kein Blatt vor den Mund und geht dabei nicht selten bis an die Grenze des Erträglichen. Davon profitiert ihre Geschichte über eine Kinderfreundschaft hin zu einer extrem toxischen Beziehung. Das Ende ist bereits vorgegeben. Lena Lux erzählt in „Geordnete Verhältnisse“ wie es soweit kommen konnte. Dabei gibt sie beiden handelnden Personen – Faina und Philipp – eine Stimme. Die Kapitel sind immer mit deren jeweiligen Namen überschrieben, so dass klar ist, aus wessen Perspektive gerade erzählt wird.
Mein Fazit:
Das beklemmende Thema, die intensive Atmosphäre und die brillante Sprache machen “Geordnete Verhältnisse” zu einem fesselnden Roman, der sowohl erschreckt als auch berührt. Dies war mein erster Roman der Autorin und ich weiß gar nicht, wie mir ihre bisherigen Werke entgehen konnten. “Kukolka” und “Jägerin und Sammlerin” werden umgehend in meinen Besitz übergehen. So viel ist sicher!