|Rezension| Auf Null – Catharina Junk
Diese Geschichte setzt da an, wo andere aufhören
Seiten: 400
„Vielleicht darf ich das jetzt, glücklich sein. Vielleicht darf ich aufhören, meinem Körper zu misstrauen, und vielleicht packt die doofe Tante Angst endlich ihren Zweifelkoffer und verschwindet nach Auf-nimmer-Wiedersehen?” (S. 161)
Worum geht´s?
Gesund – aber nicht geheilt. Das ist Ninas Diagnose nach überstandener Leukämie.
Für die Zwanzigjährige klingt das wie: Freu dich bloß nicht zu früh. Ohnehin hat die Krankheit alles verändert. Mit ihrer besten Freundin Bahar ist sie zerstritten, ihr Bruder ist streng gläubig geworden, und Nina würde eher einem Hütchenspieler vertrauen als ihrem eigenen Körper. Dann lernt Nina Erik kennen und ist schneller in ihn verliebt, als ihre Angst vor einem Rückfall es erlaubt. Aber wie soll Liebe funktionieren, wenn einem der Mut zum Leben fehlt?
Cover und Titel
Das bunte Cover von “Auf Null” sticht sofort ins Auge. Im ersten Moment habe ich gar nicht erkannt, dass sich um einen Fallschirm handelt. Erst die Zeichnung im unteren Drittel macht das deutlich.
Hinter diesem Cover hätte ich niemals eine “Krebs-Geschichte” vermutet, weshalb ich es besonders gelungen finde. Es steht im Kontrast zu diesem sehr schweren Thema und unterscheidet sich deshalb von den üblichen düsteren Covermotiven.
Der Titel “Auf Null” beschreibt den Zustand der Protagonistin, deren Leben nach der Krebserkankung wieder auf Null gesetzt wird. Ich mag den Titel in Verbindung mit dem Cover sehr, da beides eine sehr positive Ausstrahlung hat.
Mein Eindruck
Bücher über eine Krebserkrankung gibt es unzählige. Auch Romane über Krebs gibt es viele. Warum sollte man nun ausgerechnet “Auf Null” von Catharina Junk lesen? Ist nicht mittlerweile alles zu dem Thema gesagt? Ganz klar: Nein! Denn die Autorin gibt in ihrem Debütroman allen Krebserkrankten, die nach ihrer Genesung den Schalter auf “Freu dich gefälligst, dass du noch lebst.” nicht so leicht umlegen können. Damit widmet sie sich einem bisher in der belletristischen Literaur wenig beachteten Thema. Geht es doch meistens um die Erkrankung an sich und ob der Betroffene sie übersteht oder ihr erliegt, setzt Catharina Junk mit ihrer Geschichte da an, wo die meisten aufhören. Beim “Happy End”. Nina hat ihre Leukämie-Erkrankung erfolgreich bekämpft und wird als gesund aus dem Krankenhaus entlassen. Ihre Familie und Freunde sind natürlich überglücklich, nur Nina ist es nicht. Sie traut dem Frieden nicht und hat panische Angst davor, dass der Krebs zurück kommt.
Genau diese Angst, die Machtlosigkeit und das dem eigenen Körper ausgeliefert sein, beschreibt die Autorin derart authentisch, dass ich sofort dachte “Das muss autobiografisch sein.”. Zum großen Glück für die Autorin scheint es dies aber nicht zu sein und umso mehr tiefe Bewunderung habe ich dafür wie es ihr gelingt, die richtigen Worte für dieses komplexe Thema zu finden. Mit sehr viel Fingerspitzengefühl beschreibt sie die widersprüchlichen Gefühle der Genesenen, die Schwierigkeiten, die ihr Umfeld damit hat und wie sie es allmählich schafft, wieder Freude am Leben zu finden.
Dabei lässt sie immer wieder Rückblenden einfließen, die die Zeit von der Diagnose bis zum Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus umfassen und dem Leser so nicht nur einen Blick auf das Danach, sondern auch die komplette Geschichte des Davor bietet. Nur so kann man gewisse Verhaltensweisen der Protagonistin erst nachvollziehen und sich noch besser in sie hineinversetzen, auch wenn man selbst mit der Krankheit keine Berührungspunkte hat(te).
Wer nun denkt, dies wäre ein deprimierendes Buch, hat – wie das Cover schon impliziert – weit gefehlt. Catharina Junk lockert dieses schwere Thema nämlich mit gekonnt eingesetzten Dosen Humor und Selbstironie auf, so dass ich neben all der Dramatik auch oft schmunzeln musste. Nina ist eine großartige, humorvolle und sehr authentische Protagonistin, die ich sehr gerne ein Stück auf ihrem Lebensweg begleitet habe.
Die Autorin beweist gerade in den Rückblenden auf Ninas Erkrankung wie ernsthaft und tiefgründig sie sich mit der Thematik auseinandergesetzt hat. Sie bleibt nicht nur an der Oberfläche, sondern taucht auch in die hässlichen und bitteren Momente dieser Erkrankung ein. Nichts wird beschönigt und die Dinge werden beim Namen genannt. Gleichermaßen hat die Autorin ein gutes Gespür für Situationskomik, bissige Dialoge und hier und da eine Prise Sarkasmus. Diese Gratwanderung ist einfach großartig!
Mein Fazit:
“Auf Null” ist in meinen Augen einer der besten Romane dieses Jahres. Catharina Junk setzt da an, wo viele Romane über eine Krebserkrankung aufhören. Was passiert nach dem vermeintlichen “Happy End”? Trotz vieler trauriger Momente ist dieser Roman ein “Mutmach”-Buch, ein Plädoyer dafür, das Leben zu genießen und sich trotz seiner Ängste etwas zu trauen. Und jetzt würde ich gerne mit Nina eine Trinken gehen.