|Rezension| Cat Person – Kristen Roupenian
Verstörende Lektüre im doppelten Sinne
„Trotzdem schien sie absurden Gefallen an der Situation zu finden. Es war fast existenziell beunruhigend, dass zwei Menschen in so direkter körperlicher Nähe denselben Moment so unterschiedlich erleben konnten.“ (S.146)
Inhalt
Mann und Frau. Mutter und Tochter. Freunde und Freundinnen. In zwölf Stories erkundet Kristen Roupenian das Lebensgefühl von Menschen in einer schönen neuen Welt. Fragile Hierarchien und prekäre Lebenssituationen auf der einen, das Bedürfnis nach Sicherheit und Spaß auf der anderen Seite: Alles ist möglich, aber wer sind wir, wenn wir alles sein können? Mit so viel Einsicht in die Wünsche und Ängste des Einzelnen hat man noch nicht über das Zusammenleben in dieser neuen Zeit gelesen – einer Zeit, in der alles greifbar ist, und es doch immer schwerer wird, auch nur das Geringste davon zu erreichen.
Mein Eindruck
Die titelgebende Kurzgeschichte “Cat Person” aus Kristen Roupenians Kurzgeschichtensammlung war in den USA im Rahmen der #metoo Debatte in aller Munde. Ich fand diesen Hype interessant und war neugierig was hinter der Geschichte steckt und inwieweit die anderen Geschichten in eine ähnliche Richtung gehen.
Aus diesem Grund habe ich die zwölf Geschichten nicht chronologisch gelesen, sondern „cat person“ zuerst. Ich möchte es gleich vorweg nehmen: Damit habe ich die beste Erzählung zuerst gelesen, was vielleicht nicht die klügste Entscheidung war. Ich kann allerdings nach der Lektüre nun durchaus nachvollziehen, warum diese Geschichte in aller Munde ist. Zweifelsohne hat der Hype um die titelgebende Geschichte seine Berechtigung, denn sie bietet unheimlich spannendes Diskussionspotenzial und trifft den Nerv der Zeit. Auch ich gehöre zu den Frauen, die die Gefühle und das Verhalten der Protagonistin Margot bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen können. Gleiches gilt aber auch für den männlichen Gegenpart Robert. Spannend ist wie unterschiedlich diese Erzählung von Männern und Frauen wahrgenommen wird: Während die meisten Frauen Margots Verhalten nachvollziehen können und vielleicht selbst schon mal in einer Situation waren, in der es scheinbar leichter war, “einfach mitzumachen” als “Stopp!” zu sagen und zu verschwinden, sind viele Männer der Meinung, dass Robert eigentlich nichts falsch gemacht hat, sondern Margot ihm falsche Signale gesendet hat. Genau diese völlig unterschiedlichen Wahrnehmungen der Geschichte machen ihren Reiz aus.
Daneben gibt es noch zwei Geschichten (“Look at you game, girl” und “Der Junge im Pool”), die mir ebenfalls gut gefallen haben, weil sie in sich stimmig sind, eine spannende Thematik behandeln und auf eine gute Art verstörend sind. Beim Rest hatte ich eher das Gefühl, die Autorin will auf Teufel komm raus mit einer besonders abstrusen Geschichte schockieren. Sie waren fernab jeglicher Realität (zum Glück!), haben mich teilweise völlig konfus mit einem “Was war das denn?” zurückgelassen, manchmal aber auch regelrecht angewidert. Allen Geschichten ist gemein, dass sie sich im weitesten Sinne um die düstersten Ausprägungen von Liebe (bessser: was die Protagonisten für Liebe halten) drehen. Roupenians Figuren, die übrigens immer im verborgenen und ziemlich flach bleiben, verhalten sich moralisch falsch, werden aber von der Autorin nie bewertet oder gar verurteilt. Das bleibt allein dem Leser überlassen.
Während bei “Cat Person” das Unwohlsein beim Lesen eher daher rührt, dass man das Unwohlsein der Figuren nachempfinden kann, ist es bei den meisten anderen Geschichten eher ein auf Unverständnis basierendes Unwohlsein, verbunden mit vielen WTF?-Momenten.
Mein Fazit:
Muss man dieses Buch lesen? Ja und nein. Ja, weil einige der Geschichten wirklich gut sind, originell und eindrücklich. Nein, weil die Mehrheit der Geschichten auf mich wirkte als hätte man sie aus einer längst vergessenen Schublade geholt, weil man diese Sammlung noch füllen musste. Sie sind nicht ausgereift, teilweise so surreal, dass mir der Sinn verborgen blieb und ich das Gefühl nicht los wurde, dass Roupenian den Leser um jeden Preis verstören will.