|Rezension| Das späte Leben – Bernhard Schlink

von | Mai 6, 2024 | 0 Kommentare

Weltfremd hoch 10

Verlag: Diogenes
Gebundene Ausgabe: 26,00 Euro
Ebook: 22,99 Euro
Erscheinungsdatum: 13.12.2023
Seiten: 240

„Derzeit wird viel von Work-Life-Balance geredet. Aber Arbeit ist ein Teil des Lebens. Mal gehört unsere ganze Kraft ihr, mal der Familie, mal stehen Chor oder Orchester und mal der Wahlkampf an erster Stelle. Es gibt keine Balance. Wir tanzen im Leben immer auf vielen Hochzeiten.“ (S.100)

Inhalt

Martin, sechsundsiebzig, wird von einer ärztlichen Diagnose erschreckt: Ihm bleiben nur noch wenige Monate. Sein Leben und seine Liebe gehören seiner jungen Frau und seinem sechsjährigen Sohn. Was kann er noch für sie tun? Was kann er ihnen geben, was ihnen hinterlassen? Martin möchte alles richtig machen. Doch auch für das späte Leben gilt: Es steckt voller Überraschungen und Herausforderungen, denen er sich stellen muss.

Mein Eindruck

Seit ich vor zwei Jahrzehnten (Oh man!) “Der Vorleser” gelesen hatte, was mich selbst in jungen Jahren sehr begeistert hat, habe ich immer verfolgt, was Bernhard Schlink seither veröffentlicht hat. Einige seiner Bücher (Liebesfluchten, Sommerlügen, Das Wochenende) habe ich gelesen, andere nicht, weil mich der Plot nicht so ansprach. Umso überraschter war ich über das Erscheinen von “Das späte Leben” – endlich mal wieder eine Buchbeschreibung, die in mein Beuteschema passte. 

Ich begann, das Buch zu lesen und merkte bereits nach wenigen Seiten: Wir werden keine Freunde. Ich habe es dennoch zu Ende gelesen, in der Hoffnung, dass der Plot mich wenigstens überrascht. Spoiler: Das tat er nicht. Um die 240 Seiten zu lesen, habe ich länger als 2 Wochen gebraucht. Das sagt eigentlich schon alles. Dennoch möchte ich erklären, warum “Das späte Leben” mich nicht abholen konnte:

Fangen wir bei der Sprache an. Beim Lesen habe ich mich nicht nur einmal gefragt, in welchen Jahrhundert der Protagonist lebt. Die Sprache ist derart antiquiert, dass für mich jede Authentizät verloren geht. Ja, der Herr ist 76 Jahre alt und drückt sich aufgrund des Generationenunterschieds zu mir mit Sicherheit anders aus als ich. Aber Dialoge wie “In einer Woche hat Mutter Geburtstag.” – ein Satz, den er zu seinem 6-jährigen Sohn sagt – sind derart weltfremd. So redet heute niemand mehr. Zweifellos ist Bernhard Schlink nach wie vor schöne Sätze zu schreiben, die ich bisher immer in seinen Büchern fand. Aber diese weltfremden Gespräche zwischen Sohn und Vater haben mich regelrecht wütend gemacht.

Auch der Plot an sich ist mehr als fragwürdig. Trotz der schweren Thematik – ein Mensch weiß, dass er in naher Zukunft sterben wird und will von seinen Lieben Abschied nehmen – kommen keine Emotionen auf, was auch daran liegt, dass Vieles sehr konstruiert erscheint. Zum Beispiel ruft sein Sohn begeistert “Ja”, als er ihm eine fünfstündige Wanderung vorschlägt (Genau!). Während der Wanderung teilt der Sechsjährige ganz professionell mit einem Taschenmesser einen Apfel in seinen kleinen Händchen (!) usw.

Der Protagonist beginnt im Laufe der Geschichte einen Brief an seinen Sohn zu schreiben, den er bekommen soll, wenn er erwachsen ist. Anstatt in den Brief über gemeinsame Erlebnisse zu schreiben oder über deren Beziehung, driftet er in philosophische Gedanken ab, was wie die reinste Selbstdarstellung wirkt und nicht wie die letzten Worte an seinen Sohn, die doch von Herzen kommen sollten.

Und dann noch die Geschichte mit seiner Frau – ohne hier spoilern zu wollen, aber: Echt jetzt? Wenn das in der Realität so vorkommt, sollte man seine Art von Beziehung dringend mal hinterfragen. Das Ende war dann nur noch nebulös, so dass man letztlich mit der Frage zurückbleibt, was der Autor mir mit diesem Buch eigentlich sagen will.

Mein Fazit:

All das, was ich am “Vorleser” so mochte – das “Gegen-den-Strom-Schwimmen”, das Unerwartete und die Emotionen – vermisse ich in “Das späte Leben”, wo sich ein Klischee (alter reicher Mann liebt sehr viel jüngere Künstlerin usw.) ans Nächste reiht. Ich wollte den Roman wirklich mögen, weil ich doch so viele von Schlinks Büchern mag. Aber es war unmöglich.

 
Vielen Dank an den Diogenes Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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