|Rezension| Der Brief – Carolin Hagebölling

von | Jul 5, 2017 | 0 Kommentare

Einer der spannendsten Romane des Jahres

Verlag: dtv
Broschur: 14,90 Euro
Ebook: 12,99 Euro
Erscheinungsdatum: 09.06.2017
Seiten: 224

„Die Realtität ist eine Frage der Wahrnehmung, nicht der Wahrheit.” (S.51)

Worum geht´s?

Es ist ein Brief, der alles infrage stellt, was sie bisher für real gehalten hatte: Marie, Anfang 30, ist höchst irritiert, als sie die Zeilen ihrer alten Schulfreundin Christine liest. Darin ist von Maries Leben in Paris die Rede, von ihrem Mann Victor, dem erfolgreichen Galeristen – und von ihrer lebensbedrohlichen Krankheit. Tatsächlich erfreut sich Marie bester Gesundheit, arbeitet als Journalistin in Hamburg und führt eine glückliche Beziehung mit Johanna. Aber der mysteriöse Brief lässt ihr keine Ruhe. Kurz entschlossen reist Marie nach Paris. Und findet sich in einem Leben wieder, das ihr seltsam vertraut ist und mit dem sie sich auf unerklärliche Weise verbunden fühlt.

Cover und Titel

Dieser Cover ist ein echter Eyecatcher. Neben dem sehr geschmackvollen Motiv, das die Rückseite einer Frau auf einer Brücke (möglicherweise in Paris) zeigt, der eine identisch gekleidete Frau entgegen kommt, war es vor allem der sehr groß und plakativ gestaltete Titel “Der Brief”, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich liebe Briefe und erst recht Briefromane. Als ich las, dass es sich hiier um einen Roman handelt, der zwar im klassischen Sinne kein Briefroman ist, aber Briefe dennoch eine große Rolle spielen, da sich um sie eine mysteriöse Story spinnt, war ich sofort angetan.

 

Mein Eindruck

Nach einigen Romanen, die zwar gut, aber keine Pageturner waren, war es “Der Brief”, der seit langem mal wieder dieses “Ich muss unbedingt weiterlesen”-Gefühl in mir ausgelöst hat. Von Anfang an war ich fasziniert von diesem mysteriösen und spannenden Plot um Marie und den Brief, der ihr ein zweites, ganz anderes Leben – unterstellt.

Marie ist eine sympathische und authentische Protagonistin, der man sich sofort nahe fühlt. Wie sie der erste Brief mitnimmt, ihre Selbstzweifel, ob sie langsam verrückt wird und ihre innere Zerrissenheit sind sehr authentisch dargestellt und überhaupt ist sie eine Frau mit Ecken und Kanten und keine 0/815 Stereotype. Positiv aufgefallen sind mir außerdem die Szenenbeschreibungen bestimmter Orte: Mit Hamburg und Paris hat sich die Autorin sehr bekannte Schauplätze ihrer Geschichte ausgesucht. Statt sich nun aber in Beschreibungen des Eiffelturms und Brandenburger Tors zu verlieren, fängt sie das besondere Flair durch das Einbauen von kleinen stadtspezifischen Details sehr geschickt ein.

Carolin Hagebölling schreibt hier angenehm flüssig eine Mischung aus Mystery-, Liebes- und Briefroman, bei dem den Leser vor allem eins interessiert: Wie löst sich die Geschichte auf? Die Verstrickungen von scheinbar zwei Realitäten werden immer intensiver, die Geschehnisse immer dramatischer und eine realistische Erklärung für all das immer unwahrscheinlicher. Und so fegt der Leser förmlich durch die ohnehin recht wenigen Seiten um zu erfahren wie die Autorin diese Geschichte plausibel auflösen will. Und genau hier liegt meines Erachtens (die einzige) Schwäche des Romans: Am Ende hatte ich das Gefühl, dass die Autorin selber nicht mehr weiß wie sie aus der verstrickten Nummer herauskommen soll. Ich kann hier nicht ins Detail gehen, um nicht zu viel vorweg zu nehmen, aber so viel sei gesagt: Ich fand die Auflösung des Spiels mit den Realitäten unbefriedigend, weil vieles unklärt bleibt und man vielmehr mit vielen Fragezeichen und dem Wunsch nach einer Fortsetzung zurückbleibt.

Mein Fazit:

Carolin Hageböllings “Der Brief” ist ein sehr spannender und kurzweiliger Roman über das Spiel mit den Realitäten mit einer authentischen Protagonistin und einem ansprechenden Schreibstil. Die Mischung aus Mystery, Briefroman, philosophischen Aspekten und Thriller macht diesen Roman zu etwas Besonderem. Lediglich das sehr offene Ende hat mir die Lesefreude etwas verdorben. Dies könnte allerdings mit einem zweiten Teil wieder gut gemacht werden.

 

Vielen Dank an dtv für dieses Rezensionsexemplar.
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