|Rezension| Evil Grandma – Line Baugstø

von | Dez. 7, 2025 | 0 Kommentare

Evil? Maybe. Unterhaltsam? Auf jeden Fall.

Verlag: Rowohlt
Gebundene Ausgabe: 23,00 Euro
Ebook: 19,99 Euro
Erscheinungsdatum: 14.10.2025
Seiten: 256

„Frauen, die der Generation unter ihr angehören, kommen sich vor wie auf dem Abstellgleis, weil sie nicht mehr fruchtbar, feminin und verführerisch sind. Sobald die Schleimhäute eintrocknen und die Haut ihre jugendliche Spannkraft verliert, hätten sie das Gefühl, als wäre ihr Leben vorbei, erklären sie im Radio und in der Zeitung. Sie haben vielleicht noch die Hälfte ihres Lebens vor sich, doch plötzlich scheint ihnen niemand mehr Respekt entgegenzubringen (…). Hinzu kommen Hitzewallungen und Schweißausbrüche, Gelenkschmerzen, eine verminderte Libido (…). Kein Wunder, dass sie rasend vor Wut sind. Frauen in den Wechseljahren haben ein Recht darauf, eine Furie zu werden.“ (S.47)

Inhalt

Als Mona erfährt, dass sie Großmutter wird, bricht sie nicht vor Freude in Tränen aus – sie bekommt eine mittelschwere Panikattacke. Kurz vor der Rente hat sie keine Lust, die letzten schönen Jahre mit der aufopferungsvollen Betreuung eines Enkelkinds zu verbringen, wie es ihr Sohn Thomas und seine Freundin Alma zweifellos erwarten. Als die werdenden Eltern wegen eines Wasserschadens für ein paar Wochen in Monas kleiner Wohnung unterkommen, beginnt die Situation zu eskalieren. Mona kocht und räumt für alle auf, während Thomas und Alma nur vor ihren Handys hängen. Mona muss raus! Mit ihrer besten Freundin Annemor verbringt sie ein Wochenende auf dem Land. Der Abend beginnt mit zu viel Wein und endet damit, dass Mona einen Instagram-Account hat: Evilgrandma65. Ein Spaß, der eine ungeahnt explosive Wirkung entfaltet …

Mein Eindruck

“Evil Grandma” war eine Empfehlung meiner lieben Bloggerkollegin “Katja liest”. An dieser Stelle sei gesagt: Ich bin sehr froh, dass der Rowohlt Verlag sich dazu entschieden hat, den Originaltitel zu behalten. “Teuflische Großmama” wäre wohl kein Buch gewesen, bei dem ich aufgehorcht hätte.

In “evil grandma”” trifft skandinavischer Humor auf Gesellschaftskritik: überspitzt, böse, aber auch überraschend tragikomisch. Ich fand diesen trockenen, leicht gnadenlosen Ton wieder, den ich schon von Nina Lykke kannte (und sehr mochte). Line Baugstø beherrscht die Kunst, mühelos zwischen Leichtigkeit und Ernst zu wechseln. Sie erschafft mit Mona eine Figur, mit der man sich identifizieren kann, auch wenn man selbst keine 65-jährige, angehende Großmutter ist. Denn dieses Gefühl, dass eigene Bedürfnisse von anderen ignoriert werden, kennen doch die meisten. Der Schreibstil ist locker, kurzweilig und sehr unterhaltsam, so dass man die 256 Seiten doch sehr schnell inhalieren kann.

Besonders gut gefallen hat mir, wie bissig Baugstø auf Themen schaut, die gesellschaftlich oft weichgezeichnet oder romantisiert werden: ob Großmutterrolle, Altersmilde oder weibliche Selbstaufgabe. Mona ist keine klassische Sympathieträgerin. Sie hat definitiv ihr Herz am rechten Fleck, aber steht eben auch für ihre Bedürfnisse ein. Auch wenn sie sich im letzten Drittel des Lebens befindet, will sie ihr Leben genießen, scheitert mit diesem Wunsch aber regelmäßig an den Erwartungen anderer. Dass sie dabei auch mal über die Gefühle ihres Umfelds hinweggeht, verschweigt der Roman nicht. Genau darin liegt seine Ehrlichkeit.

Mit feinem Humor und einem sehr klaren Blick verbindet die Autorin das Thema des letzten Lebensdrittels mit Fragen nach Sichtbarkeit, sozialer Akzeptanz und den medialen Spielregeln unserer Zeit – besonders im Hinblick auf ältere Frauen. Das ist Gesellschaftskritik, die nicht mit dem Zeigefinger arbeitet, sondern mit Witz, Unbehagen und genau dosierter Schärfe.

Der Titel verspricht mehr Bosheit, als der Roman am Ende auslebt: „evil“ im Sinne von wirklich radikal ist Mona vielleicht nicht. Aber genau das macht die Geschichte menschlich. 

Ein Buch, das leicht daherkommt und trotzdem etwas auslöst: Es bringt zum Lachen, zum Wiedererkennen und zum Nachdenken.

Mein Fazit:

“Evil Grandma” ist leicht zu lesen, aber keineswegs oberflächlich: ein Roman, der zum Lachen bringt und gleichzeitig einen kritischen Blick auf gesellschaftliche Erwartungen wirft. Er ist besonders gut geeignet für alle, die bissige, kluge Frauenfiguren und skandinavischen Humor mögen und gern auch mal unbequemere Perspektiven lesen. Definitiv nicht nur ein Roman für Grandmas! 

 
Vielen Dank an den Rowohlt Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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