|Rezension| Licht und Zorn – Lauren Groff

von | Feb 15, 2017 | 0 Kommentare

Über Sein und Schein einer Ehe

Verlag: Hanser
Originaltitel: fates and furies
Übersetzung: Stefanie Jacobs
Gebundene Ausgabe: 24,00 Euro
Ebook: 17,99 Euro
Erscheinungsdatum: 22.08.2016
Seiten: 432

„Die Ehe besteht nun mal aus Lügen. Freundlichen zumeist. Aus Verschweigen. Wenn man alles laut sagt, was man über seinen Partner denkt, zerquetscht man ihn zu Brei.“ (S.225)

Worum geht´s?

Lottos Charme bezwingt jeden, Mathildes Schönheit wirft ein Schimmern an jede Wand. Sie lieben und begehren einander, sie heiraten, ziehen nach New York. Ihre Partys sind legendär, und irgendwann feiert Lotto Triumphe als Dramatiker. Ist das glückliche Fügung, oder lenkt hier jemand mit kühlem Verstand die Geschicke? Ahnt Lotto, welchen Zorn Mathilde hinter ihrem Lächeln verbirgt? In einer vor Energie pulsierenden Sprache entwirft Lauren Groff das Bild einer Ehe, hinter deren Glanz sich schleichend etwas Dunkleres offenbart. Denn die Geschichte von Lotto und Mathilde kann auch ganz anders erzählt werden.

Cover und Titel

„Licht und Zorn“ – ein Titel der mich sofort angesprochen hat, weil sich dahinter alles und nichts verbergen kann. Als ich las, dass es sich bei diesem Roman um die Geschichte einer Ehe aus unterschiedlichen Perspektiven handelt, war klar: Dieses Buch muss ich lesen.
Das schlichte Cover mit den großen Lettern im Mittelpunkt und einem schlichten gelb gemusterten Hintergrund, der sowohl für Licht als auch für Zorn stehen kann, impliziert bereits, dass es sich hier um keine herkömmliche Liebesgeschichte handelt, was es meines Erachtens nur noch reizvoller macht, diesen Roman zu lesen.

 

Mein Eindruck

Diese Rezension ist eine Premiere. Warum? Weil sie die erste ist, bei der ich die volle Punktzahl vergebe, obwohl ich bis zur Hälfte des Romans dachte „Und was, bitteschön, ist an diesem Roman so toll?“. Manch einer hätte da vielleicht schon aufgegeben, zumal Lauren Groffs Schreibstil auch nicht der ansprechendste ist, aber ich hatte mich auf den ersten Blick in diesen Roman verliebt und habe wohl gespürt, dass ich mit dieser Zuneigung nicht so falsch liegen kann. Aber von vorn:

Lauren Groff erzählt in Licht und Zorn theoretisch nichts Neues, nämlich schlicht die Geschichte einer Ehe – zuerst aus seiner Perspektive erzählt und anschließend aus ihrer. Über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren erfährt der Leser also zunächst aus der Sicht Lottos, dem männlichen Protagonisten, wie er aufwuchs, seine zukünftige Frau kennenlernte, die so anders ist als er, über die glücklichen und vor allem auch schwierigen Momente seines (Ehe-)Lebens. Dieser erste Teil, der ziemlich genau die Hälfte des Buches umfasst, ist eine unterhaltsame, in sich stimmige Lektüre, die durch die bereits erwähnte nicht sonderlich anregende Sprache der Autorin etwas erschwert wird, aber grundsätzlich schon lesenswert ist. Dennoch fragte ich mich oft, was an diesem Roman denn so besonders sein soll.

Nun, diese Frage klärt sich bereits auf den ersten Seiten von Mathildes Geschichte, denn Knall auf Fall wird alles, was man bisher zu wissen glaubt, über den Haufen geworfen. Lauren Groff zeigt diesem Perspektivwechsel wie unterschiedlich zwei sich liebende Menschen die vermeintlich gleiche Geschichte ihrer Ehe erzählen und vor allem auch empfinden können. Dieses Stilmittel eine Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen zu lassen, ist alles andere als neu, aber diese Autorin spielt diesbezüglich in einer völlig anderen Liga. Da sie ihre Protagonisten nicht abwechselnd, sondern nacheinander zu Wort kommen lässt, nutzt sie dieses Mittel nicht um Spannung aufzubauen oder dem Leser einen genaueren Blick auf die Dinge zu gewähren, sondern vielmehr um auf subtile Weise zu verdeutlichen welche Welten zwischen Schein und Sein liegen können. Lauren Groff hält sich dabei nicht an Alltagsproblemen in einer Ehe auf a la „Warum lässt der Mann ständig seine Klamotten überall liegen?“ sondern geht viel tiefer, schreibt über passiven Zorn, geheime Leidenschaften, dunkle Vergangenheiten und sehr oft über das Ungesagte, das was zwischen den Zeilen steht.

Als ich am Ende des Buches angelangt war, war ich baff, geplättet, desillusioniert und wollte am liebsten wieder von vorn anfangen und mit meinem jetzigen Wissen die männliche Perspektive noch einmal lesen. Und das werde ich wohl auch machen. Denn dieser Roman ist einfach meisterlich konstruiert und vermutlich entdeckt man auch nach zehnmaligen Lesen noch neue Zusammenhänge, die man aufgrund seiner Komplexität nach einmaligen Lesen gar nicht alle aufdecken kann.

Mein Fazit:

Lauren Groffs bedient sich in „Licht und Zorn“ dem viel genutzten Stilmittel des Perspektivwechsels, macht sich diesen aber derart gekonnt zunutze, um die scheinbar simple Geschichte einer Ehe zu etwas besonderem zu machen, das überrascht, schockiert, desillusioniert, aber allen voran begeistert. Wir haben zwar erst Januar, aber dieser Roman ist definitiv ein Kandidat für die Top 10 des Jahres 2017.

 

Vielen Dank an den Hanser Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
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