|Rezension| Sweet Sorrow. Weil die erste Liebe unvergesslich ist – David Nicholls

von | Mrz 13, 2020 | 0 Kommentare

Klappentext macht falsche Versprechungen

Verlag: Ullstein
Originaltitel: sweet sorrow
Übersetzung: Simone Jakob
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 18,99 Euro
Erscheinungsdatum: 27.12.2019
Seiten: 512

„…aber ich glaube, die erste große Liebe ist wie ein Lied, einer von diesen doofen Popsongs, die man hört und denkt, ich will nie wieder etwas anderes hören, der Song hat einfach alles, eindeutig das großartigste Musikstück, das je komponiert wurde. Natürlich würden wir es heute nicht mehr hören. Dazu sind wir zu tough, zu abgeklärt und kultiviert. Aber wenn er im Radio gespielt wird, na ja, ist es immer noch ein toller Song.“ (S.502)

Inhalt

Manches im Leben strahlt so hell, dass es nur aus der Entfernung wirklich gesehen werden kann. Die erste große Liebe ist so eine Sache, die immer noch leuchtet, auch wenn sie längst verglüht ist. Genauso ist es Charlie Lewis ergangen. Nichts an ihm ist besonders. Dann begegnet er Fran Fisher, und seine Welt steht Kopf. In den langen, hellen Nächten eines unvergesslichen Sommers macht Charlie die schönsten, peinlichsten und aufregendsten Erfahrungen seines Lebens. Und steht zwanzig Jahre später vor der Frage, ob er sich traut, seine erste große Liebe wiederzutreffen.

Mein Eindruck

David Nicholls hat vor zehn Jahren mit „Zwei an einem Tag“ einen der schönsten Liebesromane überhaupt veröffentlicht. Auch der zuletzt erschienene Roman „Drei auf Reisen“ drehte sich um die Liebe, auch wenn es kein klassischer Liebesroman war. Ein gutes Buch war es aber allemal. Nun legt der Autor mit „sweet sorrow“ einen neuen Liebesroman vor, der von der ersten, großen Liebe zwischen zwei Teenagern handelt. 

Aus Sicht des Protagonisten Charlie wird der Leser in die 90er Jahre zurückversetzt, in denen Charlie, dessen Eltern sich vor kurzem getrennt und sich die beiden Kinder “aufgeteilt” haben, bei einer Theatertruppe Fran kennenlernt und sich in sie verliebt. Man erfährt sehr ausführlich – und ich meine seeeehr ausführlich – wie die beiden sich während eines Sommers kennen- und lieben lernen. Und hier wären wir auch schon bei des Pudels Kern. Ich habe mich selten bei einer Liebesgeschichte derart gelangweilt. Vermutlich ist das auch meinen falschen Erwartungen aufgrund des Klappentexts geschuldet, denn ich habe die ganze Zeit auf den angekündigten Spannungsmoment gewartet, wenn die beiden nach 20 Jahren wieder aufeinandertreffen. Der Rückblick in die Vergangenheit ist nicht nur dominierend in diesem Roman – er IST der Roman. Das – von mir so herbeigesehnte – Wiedersehen findet auf den letzten 14 Seiten des 512 Seiten umfassenden Plots statt. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann meine Erwartungen zuletzt derart enttäuscht wurden. Nicht nur, dass ich eine andere Gewichtung der Thematik erwartet habe, noch dazu war das Ende dann auch noch eine absolute Enttäuschung. Ich hatte hier auf einen echten Knaller gehofft, wenn es schon nur so kurz runtergerissen wird, aber weit gefehlt. Es war leider genauso platt wie der Rest der Geschichte.

Auch den Schreibstil, den ich bei “Zwei an einem Tag” und “Drei auf Reisen” so geschätzt habe, die vielen klugen und sprachlich ausgefeilten Sätze verpackt in eine unterhaltsame Geschichte, habe ich bei “Sweet Sorrow” vermisst. Ab und zu konnte man ihn finden und genießen, aber im Wesentlichen wirkte die Geschichte auf mich gefühlsarm und langatmig. Zu konstruiert, zu klischeehaft: Der arme Junge aus einem zerrütteten Elternhaus trifft auf das schöne Mädchen aus gutem Hause. Alles ist vorhersehbar, wodurch sich auch keine Spannung aufbaut. Dazu kommt, dass die Figuren blutleer wirken. Trotz Ich-Perspektive blieb Charlie mir – genauso wie Fran – bis zuletzt fremd. Vielmehr verliert Nicholls sich in ausufernden Schilderungen von Theaterproben, gespickt mit gefühlt 100 aus dem Zusammenhang gerissenen Shakespeare Zitaten. Hinzu kommt noch eine große Portion Melancholie und eine Prise Deprimiertheit und schon hat man 512 sehr zähflüssige Seiten, die ich aber in 8 Wochen (!) schließlich doch geschafft hatte, weil ich unbedingt das Ende (das ich als Hauptteil erwartet hatte) erfahren wollte.

Mein Fazit:

Bei einem neuen Roman eines Lieblingsautors sind die Erwartungen immer hoch und die Gefahr, enttäuscht zu werden, damit groß. Nach dem Lesen von “sweet sorrow” wäre ich aber auch enttäuscht gewesen, wenn der Roman aus der Feder eines Debütanten gekommen wäre, da der Plot viel zu langwierig, der Klappentext irreführend, das Ende enttäuschend und die Figuren blutleer waren. Aber da es sich hier um David Nicholls handelt, der mit seinen Vorgänger-Romanen bereits bewiesen hat, dass er das sehr viel besser kann, ist die Enttäuschung doppelt so groß.  

Vielen Dank an Ullstein für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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