|Rezension| Zwei in einem Leben – David Nicholls

von | Sep 4, 2024 | 0 Kommentare

Very british!

Originaltitel: You are here
Übersetzung: Simone Jakob und Anne-Marie Wachs
Gebundene Ausgabe: 25,00 Euro
Ebook: 22,99 Euro
Erscheinungsdatum: 28.08.2024
Seiten: 448

„Sie griff nach ihrem Smartphone, und ihr wurde bewusst, wie intim und bedeutsam es war, jemanden zum ersten Mal zu fotografieren und seiner Bibliothek hinzuzufügen, wie ein Buch, das man gelesen oder zumindest zu lesen begonnen hatte. Wieso sonst hieß es ‘Bibliothek’?“ (S.214)

Inhalt

Marnie steckt fest. Sie lebt und arbeitet allein in ihrer Londoner Wohnung und kämpft mit der Einsamkeit. Doch mit dem Einigeln soll nun Schluss sein.

Michael ist dabei, sich zu verlieren. Seit seine Ehe gescheitert ist, muss er lernen, als Ein-Mann-Show zu funktionieren. Er fühlt sich noch nicht bereit für die Gesellschaft anderer Menschen. Nur bei langen Spaziergängen findet er Ruhe.

Als eine gemeinsame Freundin und sehr englisches Wetter Marnie und Michael bei einer Wanderung zusammenbringen, merken die beiden trotz aller Strapazen, dass ein erstes Treffen vielleicht auch eine zweite Chance sein kann.

Mein Eindruck

Angelehnt an David Nicholls Weltbestseller “Zwei an einem Tag” heißt sein neuer Roman, bei dem es sich wieder um einen Liebesroman handelt, “Zwei in einem Leben”. Dieses Mal begleiten wir ein potentielles Paar nicht über mehrere Jahrzehnte hinweg, sondern lediglich über den Zeitraum einer Wanderung von der West- zur Ostküste Englands.

Marnie und Michael – beide um die 40 Jahre alt – begegnen sich auf einer Wanderung, die eine gemeinsame Freundin initiiert. Michael ist voller Enthusiasmus, Marnie hingegen hat es nicht so mit Natur und Wandern – vor allem nicht bei schlechtem Wetter.  Erst dachte ich “Ein Buch übers Wandern? Das ist nichts für mich!” Ähnlich wie Marnie kann ich diesem ganzen Wander-Hype nämlich nichts abgewinnen. Aber das Buch ist von David Nicholls und “Zwei an einem Tag” gehört zu meinen all time favorites. Nach einigen Startschwierigkeiten war ich dann drin in der Geschichte, die sich vor allem durch die witzigen Dialogen zwischen den Protagonisten auszeichnet. Beide Charaktere sind keine “everybodys darlings” und stecken in einer Krise, aber sind gerade deshalb so liebenswert. Wer wie der Protagonist Michael auf Natur und Wandern steht, kommt hier mit vielen Details über die Wanderung wie Landschaftsbeschreibungen, Strecke und Wetterbedingungen auch voll auf seine Kosten und wird vielleicht sogar inspiriert, die Wanderung nachzuahmen. Überhaupt ist David Nicholls szenisches Schreiben beeindruckend. Beim Lesen hatte ich sofort die Bilder, die er beschreibt, im Kopf und könnte mir eine Verfilmung des Romans richtig gut vorstellen. Man merkt beim Lesen deutlich, dass David Nicholls auch Drehbuchautor ist. 

Zudem mochte ich wie sensibel Nicholls die Themen Einsamkeit und Alleinsein aufgreift. Seine Figuren kommen beide aus langjährigen, gescheiterten Beziehungen und stehen nun mit etwa 40 Jahren alleine und fangen zumindest auf Beziehungsebene von vorne an – kein leichtes Unterfangen. Nicholls findet hier aber treffende Worte, um den Gefühlen seiner Figuren Ausdruck zu verleihen ohne pathetisch zu werden. Überhaupt liegt der Fokus in diesem Roman mehr auf den Figuren und ihrer Entwicklung als auf deren Beziehung zueinander. Es ist also kein typischer Liebesroman, auch wenn das Cover das vermuten lässt.

Dass es bei beiden Figuren keine Liebe auf den ersten Blick ist – das kann man durchaus verraten ohne zu spoilern – macht diese Geschichte für mich zusätzlich liebenswert. Und apropos Spoiler: Zum Ende möchte ich nicht viel sagen, außer dass ich froh bin, dass David Nicholls und mit diesem Ende nicht so zerstört wie bei “Zwei an einem Tag”. Aber es ist auch kein “Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende”-Ende – was ich durchaus als Qualitätsmerkmal sehe!

Mein Fazit:

Zu guter Letzt: Dieser Roman ist very british und das mag ich sehr. Britisches Wetter, britischer Figuren und britischer Humor – das muss man einfach mögen. Was mir gefehlt hat, war das gewisse Etwas. Bei “Zwei an einem Tag” war es neu, eine Liebesgeschichte über so einen langen Zeitraum zu erzählen und die Leserschaft dann mit diesem Ende am Boden zerstört zurückzulassen. “Zwei in einem Leben” ist in dieser Hinsicht schon eher eine Wohlfühllektüre. Aber das darf es ja auch sein! Gelegentlich darf es auch einfach mal ein Buch zum Wohlfühlen sein.

 
Vielen Dank an die S. Fischer Verlage für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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