|Rezension| Wenn ich die Wahl habe zwischen Kind und Karriere, nehme ich das Sofa – Claudia Haessy

von | Aug 27, 2017 | 0 Kommentare

Eine wahre Wohltat unter den Schwangerschafts-Büchern!

Verlag: Rowohlt
Übersetzung: Stefanie Jacobs
Taschenbuch: 9,99 Euro
Ebook: 9,99 Euro
Erscheinungsdatum: 21.07.2017
Seiten: 256

„Offenbar ist es einfacher, Donald Trump einen IQ-Test bestehen zu lassen, als im sechsten Monat eine Hebamme zu finden, die noch nicht ‘ausgebucht’ ist!“ (S.80)

Worum geht´s?

Claudia Haessy schreibt irrsinnig komisch und herrlich derb über die angeblich schönste Zeit im Leben einer Frau. Für die meisten versprechen die zwei Streifen auf dem Schwangerschaftstest das ersehnte Glück, für Claudia dagegen eher eine mittelgroße Katastrophe. Denn Kinder mag sie eigentlich nicht sonderlich. Und der Umstand, dass sie den Vater in spe erst zwei Monate zuvor im Internet kennengelernt hat, sorgt für zusätzliche Turbulenzen. Mutig wirft Claudia ihre Lebensplanung über den Haufen und tauscht Netflix and Sofa gegen Umstandsmode, Schwangerschaftsyoga und Stillhütchen. Ein wunderbarer Roman über die Liebe in Zeiten der Schwangerschaft.

Cover und Titel

Wäre mir dieser Roman nicht wärmstens ans Herz gelegt worden, hätte ich ihn im Buchhandel vermutlich ignoriert. Schuld daran ist allen voran der Titel, mit dem ich mich irgendwie nicht anfreunden kann. Hinzu kommt das nichtssagende Cover, das lediglich durch die interessante Schriftart des Titels besticht, ansonsten aber keine nennenswerten Highlights bietet.

 

Mein Eindruck

Warum lese ich ein Buch, das mich auf den ersten Eindruck nicht anspricht? Weil es mir mit den Worten “Claudia Haessys Roman hat so einen humorvollen, sarkastischen Ton” wärmstens empfohlen wurde und ich ein großer Fan von Sarkasmus bin. Nun bin ich auch gerade noch (mit dem 2. Kind) schwanger, so dass ich also mitten im Stoff stecke über den die Autorin schreibt. Was mich außerdem gereizt hat, war die Tatsache, dass der Roman wohl viele autobiografische Elemente enhält, was allein durch die Tatsache, dass die Protagonistin Claudia heißt, schnell deutlich wird. Aber kann mich eine Geschichte über eine überraschende Schwangerschaft nach 2 Monaten affärenähnlichem Dasein überzeugen, wenn ich selbst doch eher den klassischen Weg (jahrelanger Partner, Wunschkinder, etc.) gegangen bin?

Und wie! Von der ersten Seite an wusste ich, dass diese Empfehlung voll ins Schwarze triff.t Auch wenn ich mich mit Claudia nicht immer identifizieren konnte, gelingt es der Autorin durch eine anregende Mischung aus Sarkasmus, humorvoller Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit an entscheidenen Stellen eine kurzweilige und sehr amüsante Geschichte über das Mutterwerden und Muttersein zu schreiben. In vielen Details ihrer Geschichte habe ich mich dabei – trotz unterschiedlicher persönlicher Voraussetzungen – wiedergefunden, z.B. bei Themen wie Hebammen-Suche, ihre Abneigung gegenüber Menschen im Allgemeinen, Schwangerschafts-Yoga oder dem Reizthema “Stillen”.

Das Bemerkenswerteste an diesem Buch ist allerdings gar nicht Claudia Haessys großartiger Humor, sondern dass sie mit “Wenn ich die Wahl habe…” endlich mal ein Gegengewicht zu diesen ganzen “Eine Schwangerschaft ist das tollste auf der Welt”-Büchern liefert ohne gleich die konträre Meinung, Stichwort “regretting motherhood”, zu vertreten. Die Protagonistin bereut ihre Schwanger- bzw. Mutterschaft nämlich ganz und gar nicht, sie findet sie nur einfach nicht so großartig wie wohl im Allgemeinen erwartet wird. Eine Schwangerschaft ist nämlich gar nicht immer toll. Ständig wird man von Fremden angetatscht, bekommt ungefragt tausend Ratschläge und “Tipps”, muss sich dafür rechtfertigen wie viel man (nicht) zunimmt oder was man gerade wahnsinnig schädliches ist. Und dann sind da noch die ganzen nervigen Sachen, um die man sich am besten schon unmittelbar nach der Zeugung kümmern muss (Hebamme, Geburtsvorbereitungskurs, Kita-Platz), weil man sonst nämlich kaum eine Chance hat davon etwas zu bekommen. Das Ganze verschärft sich dann ab der Geburt des Kindes noch und ich empfand es als regelrechte Wohltat endlich auch mal fernab der üblichen Klischees (nächtlicher Schreiterror des Kindes, überforderte Väter, etc.) einen ungeschönten und zugleich amüsierten Blick auf das Leben einer frischgebackenen Mutter werfen zu können.

Eher nebensächlich und trotzdem unverzichtbar ist die Liebesgeschichte in dem Roman, wobei ich mich fast weigere sie als solche zu bezeichnen, weil sie ebenso untypisch wie die Protagonistin selbst ist, aber gerade deshalb so fesselnd und gefühlvoll.

Mein Fazit:

Claudia Haessys Roman über eine ungeplante Schwangerschaft und ihre Folgen hat mir mit ihrem sarkastischen Erzählstil so viele Lacher beschert, dass das Bich von mir aus gerne noch 200 Seiten mehr hätte haben können. Ihre originelle und authentische Geschichte mit Fokus auf die unschönen Seiten des Schwanger- und Mutterseins ist eine Wohltat unter all den klischeebeladenen Romanen über diese Themen. Allen Schwangeren und Müttern, die genervt sind vom ungefragten Tätscheln ihres Bauches, schlauen Ratschlägen und “Schwanzvergleich” mit anderen Müttern kann ich diesen Roman wirklich sehr ans Herz legen.

 

Vielen Dank an den Rowohlt Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
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