Kann bitte jeder Mann dieses Buch lesen?
„Ich glaube, August und ich einte nur die Tatsache – und das ist nicht wenig -, dass wir tief in uns drinnen einsam waren, obwohl uns meistens Menschen umgaben. Wir verstanden uns über Blicke, waren ein exklusives Team, und das konnten auch andere spüren. Wie die Welt um uns herum wie ein Aquarell zerlief und es nur noch uns beide gab. Solche Verbindungen leben nur für den Momenr und sind fast immer toxisch. Sie bauen nichts auf, sie nehmen nur Energie aus dem Raum, sie absorbieren jeden Partner komplett, und so müssen sie früher oder später abgestoßen werden.“ (S.126)
Inhalt
Es wird viel geredet über die patriarchalisch geprägte sexistische Gesellschaft, doch selten über den Nährboden, der das Wachstum solcher männlich-dominierten Machtstrukturen begünstigt. Caroline Rosales erzählt nah an ihrer eigenen Geschichte, wie bereits kleine Mädchen darauf konditioniert werden, lieb und höflich zu sein und dem Onkel doch ein Küsschen zu geben. Und wie aus diesen Mädchen Frauen werden, die mehr auf das Gegenüber achten als auf sich selber. Das müssen wir ändern. Denn es gibt viele Grauzonen zwischen unserer Erziehung, Missbrauch und Feminismus. Hier werden sie beleuchtet.
Mein Eindruck
Für diese Rezension habe ich recherchiert, welchem Genre „Sexuell verfügbar“ zuzuordnen ist, und stieß auf „Sexratgeber für Frauen“ genauso wie auf „Erotikroman“ und „erzählendes Sachbuch“. Während die ersten beiden Kategorien soweit von „Sexuell verfügbar“ entfernt sind wie Deutschland von einer Gleichberechtigung zwischen Männer und Frauen, trifft „erzählendes Sachbuch“, als das der Ullstein Verlag den Titel verkauft, tatsächlich zu. Genauer gesagt umfasst Caroline Rosales viertes Buch autobiografische Episoden mit gesellschaftskritischen, feministischen Fokus. Sie wartet darin nicht nur mit vielen persönlichen Erfahrungen rund ums “Frausein” (als Arbeitnehmerin, Freundin, Mutter, Tochter und Partnerin) auf, sondern belegt diese in der Regel auch mit interessanten Fachwissen.
Ich habe beim Lesen dieses Buch sehr oft geschmunzelt, war aber genauso oft schockiert und was mir am besten gefallen hat, war die Tatsache, dass Caroline Rosales mich mit “Sexuell verfügbar” sehr oft nachdenklich gemacht und manchmal sogar zum Umdenken gezwungen hat. Wie scharfsinnig sie ihre verschiedenen Beziehungen analysiert, in denen sich vermutlich jede Frau auf die ein oder andere Art wiederfindet, und dabei ihren Humor nicht verliert, ohne wiederum die Ernsthaftigkeit der Themen aus den Augen zu verlieren, hat mir wahnsinnig gut gefallen. Ich hätte durchaus weitere 200 Seiten lesen können ohne mich zu langweilen. Das Besondere an diesem Buch bzw. der Autorin ist, dass sie – wie Caroline Rosales selbst betont – so schön durchschnittlich ist und damit ein hohes Identifikationspotenzial für andere Frauen darstellt. Es geht hier nicht um besonders krasse Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen o.ä., sondern um die alltäglichen kleinen Abgründe, die wir Frauen vielleicht bisher gar nicht als solche wahrgenommen haben und die Männer wohl erst recht nicht.
Was man beim Lesen sehr schnell merkt, ist den beruflichen Background der Autorin, die ein journalistisches Studium absolviert hat und seither als Journalistin und Autorin arbeitet. So zeugt z.B. das oben genannte Zitat von ihrem schriftstellerischen Können, das mich vollends überzeugt hat.
Der Titel des Buches ist (sicherlich aus Marketing-Zwecken) etwas reißerisch und trifft den Inhalt meiner Meinung nach nicht ganz. Das macht aber nichts, weil mich letztlich genau dieser reißerische Titel dazu bewegt hat, mir das Buch genauer anzuschauen und wenn das bei anderen Lesern auch funktioniert – so what. Natürlich geht es in “Sexuell verfügbar” auch um die Sexualität von Frauen, um ihre Selbstbestimmung und das generelle Problem von Frauen, dass sich wie ein negatives Mantra (gibt’s so etwas?) durch die 286 Seiten zieht: “Weilbliches Wollen ist, gewollt zu werden”. Allein aufgrund dieser Erkenntnis – denn ja, verdammt, genau das ist das Problem – hat es sich für mich gelohnt, dieses Buch zu lesen. Caroline Rosales fordert die weibliche Leserschaft indirekt immer wieder dazu auf, zu sagen, was sie sich wünscht – nicht nur im sexuellen Bereich, sondern generell; sei es im Job, in Freundschaften oder eben in Partnerschaften. Frauen müssen aufhören, gewollt zu werden!
Besonderes Augenmerk legt die Autorin auch auf das Thema der Konkurrenz und Stutenbissigkeit unter Frauen. Das ist ein Thema, das mir aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen (glücklicherweise) fremd ist, was mich aber nicht davon abhielt, ihren Ausführungen mit Spannung zu folgen. Wovon vermutlich hingegen fast jede Frau betroffen ist, ist der Alltagssexismus. Auch hier führt die Autorin viele Beispiele an, bei denen man im ersten Moment noch geneigt ist, beschwichtigend “Ach naja, so schlimm ist das ja auch nicht!” zu denken. Aber dieser Zahn wird einem sofort gezogen, denn genau diese Denkweise befördert den Sexismus ja noch.
Nicht ganz nachvollziehbar war für mich die Struktur des Buches. Die Kapitel wirkten in ihrer Reihenfolge wahllos zusammengestellt. Eine chronologische Abfolge, die ich aufgrund des autobiografischen Charakters erwartet hätte, gab es nur grob, sprich mit einigen Brüchen. Man kann der Autorin trotzdem gut folgen, aber die Kapitel lasen sich eher wie einzelne Kolumnen.
Mein Fazit:
Ich vermute, dass Frauen zwischen 20 und 50 die Zielgruppe von “Sexuell verfügbar” sind und ich kann es durchaus befürworten, dass diese Zielgruppe Caroline Rosales’ autobiografisches Werk auch liest, aber noch viel hilfreicher fände ich es, wenn jeder Mann dieses Buch liest, auch wenn es sich (sorry!) nicht nur um Sex dreht, und dadurch vielleicht sogar sein eigenes Verhalten gegenüber Frauen reflektiert.