|Rezension| Das leise Platzen unserer Träume – Eva Lohmann

von | Sep 2, 2023 | 0 Kommentare

Über die Frage, ob man bleibt oder geht…

Verlag: Eisele
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 17,99 Euro
Erscheinungsdatum: 31.08.2023
Seiten: 224

„Alles, was sie empfanden, war jenes Verständnis, das Menschen erst dann füreinander aufbringen können, wenn das Leben die eigenen Träume schon ein paarmal zerschossen hat.“ (S.212)

Inhalt

Ein Haus auf dem Land. Das hast du dir immer gewünscht, Jule. Dazu ein wilder Garten, durch den eure Kinder rennen. So hast du dir das Glück vorgestellt. Doch die Kinder sind nie gekommen. Und dein Mann hat jetzt eine Affäre in der Stadt. Ihr Name ist Hellen, und Hellen denkt viel an dich. Vielleicht ein bisschen zu viel. Oft fragt sie sich, warum du und dein Mann noch immer zusammen seid. Wie zwei Menschen es so lange miteinander aushalten können, wenn ihre gemeinsamen Träume doch längst geplatzt sind.  Aber von alldem hast du keine Ahnung, Jule. Du weißt nicht von Hellen und nicht von ihren Fragen. Noch nicht. Noch sitzt du da, in deinem hübschen Garten, und überlegst, ob das, was du hast, vielleicht doch reichen könnte, um glücklich zu sein.

Mein Eindruck

Nicht nur wegen der Äpfel auf dem Cover ist dieser Roman die perfekte Einstimmung auf den (Lese-)Herbst! Endlich mal wieder eine Geschichte, die ich nicht weglegen konnte und deshalb an zwei Abenden gelesen haben. Aber fangen wir von vorn an. Wortwörtlich. Wie schön ist bitte dieser Titel? Definitiv ist “Das leise Platzen unserer Träumen” ein heißer Anwärter auf den besten Buchtitel des Jahres. Ich war jedenfalls sofort hin und weg von diesem melancholisch schönem Titel. Das Cover hat mich hingegen nicht wirklich angesprochen. Drei Äpfel. Hm. Zum Glück hat man sich für diesen tollen Titel entschieden, sonst hätte ich den Roman in der Herbstvorschau vermutlich ignoriert. 

Eva Lohmann hat sich in ihrem Roman für eine interessante Erzählperspektive entschieden. Die Geschichte wird nämlich abwechselnd aus der Sicht von Jule (die mit David verheiratet ist) und Hellen (Davids Affäre) erzählt. Spannend dabei ist, dass Jules Kapitel dabei aus der dritten Person-Sicht geschildert werden, während bei Hellen die Ich-Perspektive gewählt wurde, die noch dazu direkt an Jule als Adressatin gerichtet ist.

Alle drei Protagonisten sind Mitte 40, also in einem Alter, in dem man vermeintlich einen festen Lebensentwurf hat und sich in diesem eingerichtet hat. Von Beginn an ist für die Leserschaft des Romans klar: David hat eine Affäre. Hellen weiß von Jule. Jule weiß aber nichts von Hellen. Man ahnt, wie das endet. Und doch ahnt man es nicht, denn die Autorin wählt für ihre Figuren nicht den klischeebehafteten Weg, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Stattdessen lässt die vor allem die weiblichen Figuren, Hellen und Jule, jeweils den holprigen Pfad der geplatzten Träume beschreiten. Wann gesteht man sich ein, dass sich bestimmte Träume nicht mehr erfüllen werden? Was passiert, wenn die Träume bereits geplatzt sind? Wie fühlt sich der Prozess des leisen Platzens an? Und was macht man dann?

Eva Lohmann schreibt mit klarer Sprache, viel Einfühlungsvermögen und ohne zu urteilen über das jeweilige Leben zweier Frauen, das bisher sehr unterschiedlich verlaufen ist, aber einen gemeinsamen Nenner hat: David. Ihr Ton ist dabei wunderbar tröstlich, so dass man sich in eine Decke einkuscheln und über das eigene Leben sinnieren will. Wahrscheinlich kommen daher die Herbst-Vibes beim Lesen, denn eigentlich ist in der Geschichte Sommer. Aber es ist eben keine Wohlfühl-Sommergeschichte. Alle drei Figuren des Romans hatten zu Beginn des Romans Träume, die im Laufe der Geschichte leise platzen. Obwohl man meinen könnte, dass Jule als Betrogene die meiste Sympathie verdient, war es Hellen mit ihren geplatzten Träumen, die mich am meisten berührt hat. Vielleicht weil ich das Gefühl hatte, dass bei Jule “noch alles gut werden kann”, während Hellen, alleinerziehend mit zwei Kindern, in ihrer Situation “festhängt”.

Am Ende des Romans könnte man den Eindruck bekommen, dass alles ein wenig zu versöhnlich und zu beschönigt dargestellt ist. Aber letztlich ist die Botschaft der Geschichte: Auch wenn du mit 40 vor einem Scherbenhaufen deines bisherigen Lebens stehst, kann diese zwangsweise Neusortierung deines Lebens auch Positives bewirken. 

Mein Fazit:

“Das leise Platzen unserer Träume” ist ein spannender Roman, der sich mit der Frage auseinandersetzt, was ein lebens- und liebenswertes Leben ist. Wie viel kann man von seinen ursprünglichen Träumen abweichen und sich dabei trotzdem noch in dem Leben, das man führt, wohlfühlen? Eva Lohmann versucht, mit sehr viel Fingerspitzengefühl und einer wohltuenden Portion Leichtigkeit Antworten auf diese Fragen zu geben. Klare Leseempfehlung von mir! 

Vielen Dank an den Eisele Verlag und Politycki & Partner für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
Share This