|Rezension| Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben – Matt Haig

von | Juni 28, 2016 | 0 Kommentare

Ein Buch, das Rat gibt, ohne ein Ratgeber zu sein.

Verlag: dtv
Originaltitel: Reasons to stay alive
Übersetzung: Sophie Zeitz
Gebundene Ausgabe: 18,90 Euro
Ebook: 15,90 Euro
Hörbuch: 17,99 Euro
Erscheinungsdatum: 18.03.2016
Seiten: 304

„Wer glaubt, ein depressiver Mensch wollte glücklich sein, irrt sich gewaltig. Depressive Menschen haben nicht das geringste Interesse am Luxus des Glücklichseins. Sie wollen einfach nur keinen Schmerz mehr spüren. Ihrem Gehirn entfliehen, das in Flammen steht, in dem die Gedanken lodern und qualmen wie alte Besitztümer bei einem Wohnungsbrand. Normal sein. Oder, da Normalsein unmöglich ist, leer sein.” (S.23)

Inhalt

Ein Buch, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn mit gerade mal 24 Jahren wird Matt Haig von einer lebensbedrohlichen Krankheit überfallen, von der er bis dahin kaum etwas wusste: einer schweren Depression. Es geschieht auf eine physisch dramatische Art und Weise, die ihn buchstäblich an den Rand des Abgrunds bringt. Dieses Buch beschreibt, wie er allmählich die zerstörerische Krankheit besiegt und langsam ins Leben zurückfindet. Eine bewegende, witzige und mitreißende Hymne an das Leben und an das Menschsein – ebenso unterhaltsam wie berührend. »Ich habe dieses Buch geschrieben, weil letztendlich doch etwas dran ist an den uralten Klischees: Die Zeit heilt alle Wunden, und es gibt ein Licht am Ende des Tunnels, auch wenn wir es zunächst nicht sehen können. Und manchmal können Worte einen Menschen tatsächlich befreien.« Matt Haig

Mein Eindruck

Ich liebe dieses Cover! Für mich ist es eines der schönsten dieses bisherigen Buch-Jahres. In der Verlagsvorschau ist es mir sofort ins Auge gestochen. Der schlichte weiße Hintergrund, der bunte Titel, der zwar bunt ist und damit für mich eine gewisse Lebensfreude verbildlicht, aber eben nicht penetrant ins Auge sticht sowie die schlichte Zeichnung eines Mannes, der an einem Abgrund steht, ergeben für mich ein harmonisches Gesamtbild, das perfekt zum Inhalt passt.

Der Titel “Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben” ist ebenso perfekt. Er ist nahe am Originaltitel “Reasons to stay alive”, wirkt aber durch das “ziemlich” noch sympathischer und klingt deshalb nicht nach einem Lebensratgeber. Hier hat der Deutsche Taschenbuch Verlag wirklich großartige Arbeit geleistet.

Obwohl ich anfangs unbedingt, unbedingt, unbedingt dieses Buch lesen wollte, habe ich es dann, als ich es besaß, lange, lange liegen lassen. Ich hatte großen Respekt davor mich mit der schwierigen Thematik “Depression” auseinanderzusetzen. Das Besonderes an diesem Buch ist, dass es sowohl Erfahrungsbericht eines Betroffenen als auch Sachbuch mit vielen wissenschaftlichen Inhalten und zu guter Letzt ein Ratgeber ist.

Matt Haig erzählt in “Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben” auf sehr authentische Weise wie ihn die Depression quasi hinterrücks überfallen hat, dass er sie zunächst nicht einordnen konnte und wie sehr sie sein zukünftiges Leben bestimmt hat und auch heute noch bestimmt. Da ich selber mit dieser Thematik noch nicht direkt in Berührung kam, konnte ich mir Dank Haigs Schilderungen erstmal in etwa vorstellen, wie es den Betroffenen mit der Krankheit geht. Ich denke, dass depressive Menschen sich vielleicht nicht in allem, aber doch in vielem was Haig widerfahren ist, wiedererkennen. Und was das Wichtigste ist: Matt Haig hat gelernt mit dieser Krankheit zu leben. Er hat erkannt, dass das Leben trotz aller Einschränkungen lebenswert ist und nennt in diesem Buch deshalb immer und immer wieder ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben.

Die teilweisen drastischen Szenen, in denen er sich mit Selbstmordgedanken plagt, werden durch einen humorvollen Grundtenor und interessanten Aufzählungen und die Nennung von wissenschaftlichen Fakten aufgelockert. Matt Haig gelingt die Balance zwischen bedrückenden Fakten und aufmunterenden und humorvollen Passagen.

Aber es geht in diesem Buch nicht ausschließlich um Depressionen, wie sie sich bemerkbar macht und wie man sie aushält, wie man Mut schöpft am Leben zu bleiben, sondern auch um uns Menschen im Allgemeinen. Haig äußert viele kluge Gedanken über die Welt und den Einfluss der äußeren Umständen auf das persönliche Glück. Diese Passagen waren für mich wie kleine erhellende Schätze.

Das Einzige, was mich etwas gestört hat, waren die sehr kurzen Kapitel und die überwiegend kurzen Sätze. So kam bei mir kein richtiger Lesefluss auf. Aber vielleicht muss das bei einem Sachbuch auch gar nicht sein.

Mein Fazit:

 
“Ziemlich gute Gründe am Leben zu bleiben” ist nicht nur eine Hymne an das Leben, sondern vor allem ein Buch, das aufklärt. Es richtet sich nicht nur an Betroffene, die sich vermutlich in vielen Erfahrungen des Autors wiederfinden und hoffentlich auch Mut schöpfen, sondern hilft auch nicht unmittelbar Betroffenen diese Krankheit – die nach außen hin so unsichtbar ist – besser zu begreifen und feinfühliger mit Betroffenen umzugehen. Dies allein sind ziemlich gute Gründe, dieses Buch zu lesen.
 
 Vielen Dank an dtv für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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