|Kinderliteratour| Das Neinhorn – Marc-Uwe Kling/ Astrid Henn
Wenn man beim Vorlesen eines Kinderbuches Tränen lacht…
Seiten: 48
Inhalt
Im Herzwald kommt ein kleines, schnickeldischnuckeliges Einhorn zur Welt. Aber obwohl alle ganz lilalieb zu ihm sind und es ständig mit gezuckertem Glücksklee füttern, benimmt sich das Tierchen ganz und gar nicht einhornmäßig. Es sagt einfach immer Nein, sodass seine Familie es bald nur noch NEINhorn nennt.
Eines Tages bricht das NEINhorn aus seiner Zuckerwattewelt aus. Es trifft einen Waschbären, der nicht zuhören will, einen Hund, dem echt alles schnuppe ist, und eine Prinzessin, die immer Widerworte gibt. Die vier sind ein ziemlich gutes Team. Denn sogar bockig sein macht zusammen viel mehr Spaß!
Unser Eindruck
…dann ist Marc-Uwe Kling als Autor im Spiel.
Seien wir doch mal ehrlich: Welchen Gesichtsausdruck macht man beim Vorlesen eines Kinderbuches? Im besten Fall ist es ein mildes Lächeln oder leichte Verzückung aufgrund des Niedlichkeitsfaktors. Meistens ist es wohl eher ein (liebgemeintes) Augenrollen aufgrund des dezent unterfordernden Inhalts und der teilweise furchtbaren Reime. Im Falle des “Neinhorns” von Marc-Uwe Kling musste ich allerdings weinen. Vor Lachen! Ich habe mich nicht mehr eingekriegt und hatte einen regelrechten Lachanfall, weil der Wortwitz in diesem Kinderbuch schlichtweg genial ist.
Wem Marc-Uwe Kling als Autor der Känguru-Chroniken bekannt ist, muss ich nicht erklären, mit welchem intelligenten Humor er stets seine Leser begeistert. Ich hielt es für unmöglich, diesen auch auf ein Kinderbuch zu übertragen, wurde allerdings eines besseren belehrt. MUK ist es gelungen, mit dem „Neinhorn“ eine fluffig, süße Geschichte für Kinder über ein widerspenstiges Einhorn und dessen widerspenstige Freunde zu schreiben, die kindgerecht ist, aber auch erwachsene Leser durch ihren Wortwitz, der für Kinder teilweise gar nicht erkennbar ist, bestens unterhält.
Als ich die ersten Zeilen vorlas, dachte ich noch “Was ist das? Oh Gott, ist das schlimm. Ich muss brechen! Ich will das nicht mehr lesen.” Rosa-rote, Glitzer-Zuckerwatte-Einhorn-Welt? Aber spätestens auf der zweiten Seite wich der entsetzte Gesichtsausdruck einem süffisanten Grinsen bis ich schließlich bei “Das ist ja klar, denn in solchen Türmen ist ganz oben immer eine Prinzessin eingesperrt.” nicht mehr weiterlesen konnte vor Lachen – sehr zur Belustigung meiner Kinder, die derartige Gefühlsausbrüche meinerseits beim Vorlesen überhaupt nicht gewöhnt sind.
Es ist MUK allein schon hoch anzurechnen, ein Kinderbuch über das Trotzigsein zu schreiben, das nicht mit der Moralkeule “Trotziges Verhalten ist schlimm!” daher kommt, sondern stattdessen auf sehr bunte und witzige Weise Kinder ermutigt, sich nicht immer anzupassen. Das kommt natürlich auch bei der eigentlichen Zielgruppe des “Neinhorns” gut an. Ebenso geschickt hat der Autor seine Protagonisten ausgewählt: Einhorn, Waschbär, Hund und Prinzessin sind ein origineller Mix aus klassischen Kinderbuchfiguren (Prinzessin, Einhorn) und Tieren mit hohem Niedlichkeitsfaktor (Waschbär, Hund).
Beim Vorlesen dachte ich immer wieder “Wie zur Hölle kommt man auf solche Ideen?” – ähnliche Gedanken hatte ich auch beim Lesen der Känguru-Bücher. Wie MUK hier einerseits Klischees aus Kinderbüchern auf die Schippe nimmt und andererseits aber den Anschein eines normalen Kinderbuchs erweckt, ist einzigartig und in meinen Augen schlichtweg genial.
Die farbenfrohen (und zugegebenermaßen sehr rosa-lastigen) Illustrationen von Astrid Henn ergänzen den Text durch ihre Ausdrucksstärke und ihren humoristischen Stil sehr gelungen. Besonders schön fanden meine Kinder auch die beiden originellen Landkarten vorn und hinten im Einband, die ebenso wie vielen lustigen Tiere auf den letzten beiden Doppelseiten Raum für die eigene Phantasie und das Weiterspinnen der Geschichte lassen.
Mein Fazit:
Wer schon jemals etwas von Marc-Uwe Kling gelesen und gemocht hat, wird “Das Neinhorn” lieben. Ganz egal, ob kleine oder große oder gar keine Kinder im Haus sind: Dieses Buch muss angeschafft werden, weil es zu Lachtränen animiert und eher nebenher auch noch die eigentliche Zielgruppe durch witzige Illustrationen und eine originelle Geschichte über trotzige Andersdenkende begeistert. “Das Neinhorn” ist das erste Kinderbuch, das mich als Erwachsene mindestens genauso gut (wenn nicht sogar mehr) unterhalten hat wie meine Kinder. Ich finde es auch beim 10. Mal vorlesen noch unheimlich witzig und erfreue mich an den gelungenen Wortspielen, während meine Kinder eher die Wiederholungen und natürlich das Identifikationspotential mit den bockigen Protagonisten begeistert. Fassen wir zusammen: “Das Neinhorn” ist das perfekte Buch für die ganze Familie und sehr gut investierte 13 Euro!