|Rezension| Packerl – Anna Neata
Wenn der Dialekt nicht wäre…
„Wie ist es, wenn man sein Leben an sich vorbeiziehen sieht, wenn es aber nicht die Vergangenheit ist, sondern die Zukunft, die da wie in einem Film vorgeführt wird. Wie es ist? Wie ein kleiner Tod fühlt es sich an.“ (S.174)
Inhalt
Elli, 1928 geboren, wird inmitten des Zweiten Weltkrieges Zeugin einer illegalen Abtreibung. Eine verstörende, prägende Erfahrung. Ebenso verliebt wie naiv, stürzt sie sich Anfang der Fünfzigerjahren in die Ehe mit Alexander, von der schon nach kurzer Zeit wenig mehr als die gemeinsame Tochter Alexandra übrigbleibt, denn: Das Glück is a Vogerl. Alexandra rettet sich in den bewegten Siebzigerjahren aus einer unglücklichen Beziehung, als sie sich gegen ein Kind entscheidet. Ihr zeitlebens bester Freund Hannes ist einer der wenigen, der ihr zur Seite steht und später zu ihrer vielleicht letzten Liebe wird. Dabei ist Alexandras zweite Ehe mit Milan zumindest vordergründig glücklicher, Tochter Eva wird 1986 geboren. Hannes‘ Sohn Konrad und Eva werden sich, wie schon ihre Eltern, immer nah sein, auch als Eva Anfang der 2000er nach einem Schwangerschaftsabbruch in Depressionen versinkt. Eva ist die erste der drei, die versucht, etwas herauszufinden, von dem sie lieber nicht wissen wollte, was es sein könnte; die erste, die sich den biographischen Gemeinsamkeiten in ihrer Familie stellt.
Mein Eindruck
Ich bin ehrlich. Ich musste mich durch diesen Roman kämpfen. Daran ist nicht der Inhalt Schuld, sondern die Sprache. Wäre “Packerl” inhaltlich nicht so überzeugend gewesen, hätte ich dieses Buch wohl nicht zu Ende gelesen. Bereits nach den ersten 20 Seiten habe ich es frustriert zur Seite gelegt: Mit der österreichischen sprachlichen Färbung kam ich überhaupt nicht zurecht. Schuld daran waren nicht etwa Begriffe, die ich nicht kannte, sondern vor allem die Artikel vor den Namen: der Milan, der Hannes, die Ursel usw. Es macht mich wahnsinnig! Für mich ist das derart schlechtes Deutsch, dass ich jedes Mal bei solch einer Formulierung hängen bleibe – zulasten des Inhalts.
Inhaltlich ist Anna Neatas Roman allerdings durchaus spannend: Das Personenverzeichnis zu Beginn und die interessante Kapitelstruktur, die aus drei Ebenen besteht, lässt bereits zu Beginn die Vermutung zu, dass ein sehr gut durchdachtes Konzept hinter dieser Geschichte steht. Angefangen in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts bis hin zur heutigen Zeit wird die Geschichte von drei Frauen einer Familie erzählt, die alle drei die gleiche Erfahrung machen müssen, nämlich sehr jung ungewollt schwanger zu werden. Anna Neata schildert wie Oma, Mutter und Tochter mit diesem Schicksal umgehen und wie ihre jeweilige Erfahrung ihr weiteres Leben beeinflusst. So erklärt sich auch der Name des Buches “Packerl” (“Päckchen”), denn jede der drei Salzburger Frauen hat ihr “Packerl” zu tragen.
Besonders spannend ist wie sich die Geschichten der drei Frauen über drei Generationen wiederholen, sich ihre Erfahrungen nach einem bestimmten Muster zu wiederholen scheinen. Die Autorin schildert ihre Geschichte aus weiblicher und damit einseitiger Perspektive, fokussiert sich dabei gleichermaßen auf ihre persönlichen Erfahrungen wie auf ihre Rolle innerhalb der Familie. Auch wenn die Kapitelstruktur zunächst anderes vermuten lässt, springt man als Leserin während des ganzen Romans zwischen den Geschichten von Elli, Alexandra und Eva hin und her, was die Lektüre zusätzlich herausfordernd macht. Man kann dieses Buch nicht nebenbei lesen, weil man ansonsten den Faden verliert.
Mich hat besonders Evas Schicksal berührt, vermutlich weil sie so alt ist wie ich und sie die erste ist, die zumindest versucht, sich mit ihrer Familiengeschichte auseinanderzusetzen.
Mein Fazit: