|Rezension| Maya und Samuel – Franziska Fischer

von | Dez. 25, 2025 | 0 Kommentare

Was bleibt, wenn Worte fehlen…

Verlag: Dumont
Gebundene Ausgabe: 24,00 Euro
Ebook: 16,99 Euro
Erscheinungsdatum: 10.10.2025
Seiten: 288

„Das mit dem Eingraben habe ich probiert, das mit dem Nichtstun auch, doch beides zieht mich nur tiefer. Je mehr Dunkelheit mich umgibt, desto dichter wird sie, so einfach ist das, das Leben wartet nicht auf mich, gar nichts wartet auf mich, wenn ich nur den Tagen dabei zusehe, wie sie vergehen.“ (S.107)

Inhalt

Maya und Samuel kennen sich mehr als ein halbes Leben lang. Sie sind nebeneinander aufgewachsen und haben sich als beste Freunde ineinander verliebt. Mittlerweile wohnen sie zusammen in einem hübschen Haus. Maya schreibt Artikel für die lokale Zeitung und hat ein Fotostudio, während Samuel einen Gamingchannel betreibt und in seiner Freizeit gärtnert. Die beiden ergänzen sich perfekt: Maya ist forsch, wirft sich ins Leben. Samuel denkt über alles ein bisschen zu lange nach, aber er ist ihr Ruhepol. Sie sind glücklich miteinander – bis ein Verlust sie auseinanderreißt. Sie trauern beide für sich und mit ihren Mitteln: In Maya ist alles zerbrochen, trotzdem tastet sie sich als Fotografin langsam wieder hinaus in die Welt. Samuel flüchtet sich während seiner Streams in seine Community und versucht, ihren gemeinsamen Alltag aufrechtzuerhalten. Während sie früher voller Worte füreinander waren, scheint es jetzt keine mehr zu geben. Doch selbst in ihrem Schweigen gelingt es ihnen mit der Zeit, wieder aufeinander zuzugehen.

Mein Eindruck

An „Maya und Samuel“ bin ich ohne große Erwartungen herangegangen. Der Klappentext klang interessant, von Franziska Fischer hatte ich bislang jedoch nichts gelesen – entsprechend offen und neutral begann ich die Lektüre. Und dann hat mich dieser Roman vollkommen überrascht. Obwohl es ein sehr leises Buch ist, hat es mich umgehauen.

Franziska Fischer schafft es mit feinen, zurückhaltenden Tönen, eine Atmosphäre zu erzeugen, die unter die Haut geht. Äußerlich passiert in dieser Geschichte nicht viel. Erzählt wird der Alltag eines Paares, das nach einem schweren Verlust zunehmend auseinanderdriftet. Gerade darin liegt jedoch die große Stärke des Romans. Besonders gelungen ist, dass beide Perspektiven gleichwertig Raum bekommen. Durch den Wechsel zwischen Mayas und Samuels Gedanken macht die Autorin auf sehr empathische Weise deutlich, dass es keinen „richtigen“ oder „falschen“ Umgang mit einem Verlust gibt.

Immer wieder werden diese Passagen von Rückblicken in die Vergangenheit unterbrochen, denn Maya und Samuel kennen sich seit ihrer Kindheit. Diese zweite Zeitebene ist zentral für das Verständnis der Geschichte: Sie zeigt den familiären Hintergrund der beiden und erzählt, wie sie zueinandergefunden haben. Die Rückblicke lassen das Verhalten der Figuren in der Gegenwart nachvollziehbar werden und helfen, ihre Beziehung einzuordnen. Wie kann es passieren, dass man sich in einer so langen, vertrauten Beziehung entfremdet? Und ist es möglich, wieder zueinanderzufinden? Um diese Fragen kreist der Roman.

Besonders nah ging mir die Darstellung davon, wie man auch gemeinsam allein sein kann. Maya und Samuel leben zusammen – und sind doch beide zutiefst einsam. Sie meiden einander, um Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Beim Lesen hat mir das stellenweise fast körperlich wehgetan, weil diese Situationen so authentisch und sensibel beschrieben sind.

Auch sprachlich hat mich Franziska Fischer überzeugt. Ich habe ungewöhnlich viele Stellen markiert. Ihre Sprache ist feinfühlig, ruhig und von großer emotionaler Tiefe. Die Figuren wirken echt, ihre Gefühle greifbar und glaubwürdig.

Mein Fazit:

„Maya und Samuel“ ist ein leiser, intensiver Roman, der gerade durch seine Zurückhaltung berührt. Franziska Fischer erzählt von Verlust, Nähe und Entfremdung, ohne je laut oder erklärend zu werden. Stattdessen vertraut sie auf Zwischentöne, auf unausgesprochene Gedanken und auf das, was zwischen zwei Menschen stehen kann. Die Geschichte zeigt eindrücklich, wie einsam man selbst in einer langjährigen Beziehung sein kann – und wie schwer es ist, nach einem tiefen Einschnitt wieder zueinanderzufinden. „Maya und Samuel“ ist kein Buch, das man einfach zuschlägt und zur Seite legt. Es bleibt im Kopf, wirkt nach und regt dazu an, über Beziehungen, Verlust und die eigene Art zu fühlen nachzudenken.

 
Vielen Dank an den Dumont Verlag und Netgalley für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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