|Rezension| Als wir unbesiegbar waren – Alice Adams
Authentisch, feinfühlig – großartig!
„Diese Frau, die gerade lachend ihre protestierenden Kinder an den Tisch scheuchte, trug vielleicht eine Geschichte mit sich herum, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen war. Man würde die Fehlgeburten nicht sehen, die sie vor diesen Kindern erlitten hatte, oder den Bruder, der gestorben war, den Vater, den sie in ein Heim geben musste, weil seine Demenz zu stark geworden war. Man sah nur diesen strahlenden Moment des Glücks, und er war alles andere als die ganze Wahrheit.“ (S.259)
Worum geht´s?
An der Universität sind Eva, Benedict, Sylvie und Lucien unzertrennlich. Als sie Ende der Neunzigerjahre ihr Studium beenden, glauben sie sich am Beginn eines aufregenden Lebens. Die Welt wird für sie nur das Beste bereithalten. Eva plant eine Karriere im Finanzbusiness. Sie will sich sowohl von ihrem Vater, einem bekennenden Sozialisten, als auch von ihrer unerwiderten Liebe zu Lucien befreien. Benedict verschreibt sich der Wissenschaft und hofft weiterhin, Eva für sich zu gewinnen – auch wenn er nicht so genau weiß wie. Die Geschwister Sylvie und Lucien dagegen
streben vor allem eines an: ein freies Leben ohne Verpflichtungen und Verantwortung.
Doch im Laufe der Jahre sehen die Freunde sich nur noch sporadisch, alle vier sind damit beschäftigt, ihre Träume und Pläne, die das Leben zu vereiteln scheint, zu retten. Zerbrochene Beziehungen und verhinderte Karrieren bringen sie schließlich wieder zusammen, jedoch ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatten.
Cover und Titel
Mein Eindruck
Es gibt Romane, da fehlen einem die Worte, die beschreiben, wie verdammt gut er ist und man möchte eigentlich nur einen Satz schreiben: Lest dieses Buch! “Als wir unbesiegbar waren” ist ein solcher Roman, an den ich keine großen Erwartungen hatte, der mich aber ab der ersten Seite für sich eingenommen und nachhaltig bewegt hat.
Alice Adams schreibt über vier Freunde, die sich während des Studiums in den 90er Jahre kennenlernen und die der Leser die darauffolgenden 20 Jahre begleitet. Erzählt wird überwiegend einseitig aus der Perspektive von Eva, aber gelegentlich gibt die Autorin auch einen Einblick in die Gedanken der anderen drei Freunde. Bei einer Freundschaft zwischen zwei Männern und zwei Frauen ist leicht vorauszusehen, dass es in dieser Konstellation nicht immer nur freundschaftlich zugeht. Die Ausgangssituation, in der Eva in Lucien verliebt ist und Benedict wiederum in Eva könnte man als klischeehaft einordnen, jedoch wird sie ganz und gar nicht klischeehaft inszeniert. Alice Adams hat einen ganz wunderbaren Blick für die alltäglichen Dinge, schreibt feinfühlig über die kleinen und großen Krisen des Erwachsenwerdens, über Freundschaften, die sich weiterentwickeln – ob positiv oder negativ, erste große Lieben, gescheiterte Beziehungen, das Älterwerden und Elternwerden, berufliche Erfolge und Perspektivlosigkeit.
Es sind die leisen Töne, die “Als wir unbesiegbar waren” ausmachen und wegen derer ich mich in dieses Buch verliebt habe. Als Leser stellt man sich unweigerlich die Fragen nach der Bedeutung von Freundschaft, Karriere und Familie – was hat Priorität? Was sollte die Priorität haben? Können Freundschaften Bestand haben, wenn sich die Lebensentwürfe der Freunde in völlig unterschiedliche Richtungen entwickeln? Sollte man an seinen Idealen festhalten oder muss man irgendwann einsehen, dass sie eben doch nur Ideale sind und nicht die Realität? Mit all diesen Fragen müssen sich Alice Adams Protagonisten und damit auch unweigerlich der Leser auseinandersetzen und genau deshalb ist dieses Buch so viel mehr als ein leichter Sommerroman, für das man es beim Blick auf das Cover halten könnte.
Trotz der vielen essentiellen Fragen, die dieser Roman behandelt, mangelt es ihm dank des wunderbaren Erzählstils der Autorin nicht an Leichtigkeit. Diese Mischung aus unterhaltsamen Beziehungsgeschichten und einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Fragen des Erwachsenwerdens machen “Als wir unbesiegbar waren” zu einer sehr besonderen, lohnenswerten Lektüre. Auch das Ende war perfekt und hat mich das Buch mit einem zufriedenen Seufzer zuklappen lassen.
Mein Fazit:
Mit “Als wir unbesiegbar waren” hat Alice Adams für mich einen der besten Romane in diesem Jahr geschrieben. Ihre Geschichte von vier Freunden, deren Wege sich trotz unterschiedlicher Lebensentwürfe immer wieder kreuzen, ist ein feinfühlig und unterhaltsam erzählte Ode an die Freundschaft und eine mutmachende Lektüre, die zeigt, dass es sich lohnen kann, sich seinem Schicksal nicht zu ergeben.