|Rezension| Altern – Elke Heidenreich

von | Dez. 29, 2024 | 0 Kommentare

Ein weises Buch für jedes Alter!

Verlag: Hanser
Gebundene Ausgabe: 20,00 Euro
Ebook: 15,99 Euro
Erscheinungsdatum: 13.05.2024
Seiten: 112

„Und an diese dämliche Work-Life-Balance habe ich eh nie geglaubt. Was soll das sein? Life is work. Bei dem, was da balance genannt wird, kommt oft noch der grauenvolle Zusatz, man solle zur Erholung mal doch mal ‘die Seele baumeln’ lassen. Lassen Sie bitte nie, niemals, unter keinen Umständen Ihre Seele baumeln. Die Seele hat man fest im Griff, sie ist unser Kostbarstes, da baumelt bitte nichts sinnlos herum.“ (S.25)

Inhalt

Alle wollen alt werden, niemand will alt sein. Der Widerspruch ist absurd, das Leiden daran real. Wie lernen wir, so gut wie möglich damit zurechtzukommen? Geht das, alt werden und ein erfülltes Leben führen? Elke Heidenreich hat sich mit dem Altwerden beschäftigt. Herausgekommen ist dabei ein Buch, wie nur sie es schreiben kann. Persönlich, ehrlich, doch nie gnadenlos, mit einem Wort: lebensklug. Sie denkt über ihr eigenes Leben nach, und das heißt vor allem, über ihre Beziehungen zu anderen Menschen. Im Alter trägt man die Konsequenzen für alles, was man getan hat. Aber mit ihm kommt auch Gelassenheit, und man begreift: “Das meiste ist vollkommen unwichtig. Man sollte einfach atmen und dankbar sein.”

Mein Eindruck

Wäre das Buch nicht von Elke Heidenreich geschrieben, hätte ich es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gelesen – allein schon wegen des Titels: „Altern“. Mit Ende 30 gehört dieses Thema eigentlich noch nicht zu meinen favorisierten Interessenkreisen – dachte ich zumindest. Doch warum eigentlich nicht? Das Älterwerden betrifft uns alle, und auch wenn zwischen Elke Heidenreich und mir mehr als 40 Jahre Lebenserfahrung liegen, heißt das ja nicht, dass ich nicht von ihrer Erfahrung profitieren könnte. Also kaufte ich mir dieses dünne Büchlein aus der „Leben“-Reihe des Hanser Verlags, in dem die mittlerweile 81-jährige Autorin ihre Gedanken zum Altern teilt.

Wie schon in „Hier geht’s lang“ verwebt Heidenreich auch in diesem Buch autobiografische Erlebnisse mit ihrer großen Leidenschaft für Literatur. Sie zitiert immer wieder aus Werken, die sich passend ins Thema einfügen, sodass man nicht nur einen tiefen Einblick in ihre persönlichen Reflexionen erhält, sondern auch zahlreiche literarische Empfehlungen mit auf den Weg bekommt. Dieses Wechselspiel macht die Lektüre besonders bereichernd.

Ich hatte das Glück, Elke Heidenreich einmal persönlich zu treffen. Genau so, wie ich sie damals erlebt habe, schreibt sie auch in diesem Buch: uneitel, humorvoll, ehrlich und bodenständig. Zusätzlich zeigt sie hier jedoch eine zornigere Seite, die dem Thema „Altern“ noch mehr Schärfe und Relevanz verleiht. Ihr Essay ist ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, nicht in Selbstmitleid oder Melancholie zu versinken, nur weil man als „alt“ gilt. Wer entscheidet überhaupt, ab wann man alt ist? Aus der Sicht eines Grundschulkindes bin ich mit meinen 38 Jahren sicher auch schon uralt.

Besonders beeindruckt hat mich in diesem Essay Elke Heidenreichs Selbstreflexion. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie sich in einer privilegierten Situation befindet: Sie muss nicht mehr arbeiten, tut es aber freiwillig, und sie ist gesundheitlich weitgehend unversehrt. Ihr ist bewusst, dass viele Menschen in ihrem Alter mit weitaus größeren Herausforderungen zu kämpfen haben. Gerade diese Ehrlichkeit macht das Buch so zugänglich und sympathisch.

Mein Fazit:

Ich hätte nicht gedacht, dass ein Essay über das Altern so erhellend und vergnüglich sein kann. Vielleicht bin ich ein bisschen voreingenommen, weil ich Elke Heidenreich schon immer sehr mag und mit 81 Jahren auch gern so eine coole Sau wäre wie sie. In jedem Fall kann ich das Buch “Altern” sehr empfehlen, so wie Elke Heidenreich den Prozess “Altern” empfiehlt.

 
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