|Rezension| Ava liebt noch – Vera Zischke

von | Juni 30, 2025 | 0 Kommentare

Einmal ausbrechen – und dann?

Verlag: List
Gebundene Ausgabe: 21,99 Euro
Ebook: 17,99 Euro
Erscheinungsdatum: 01.08.2024
Seiten: 304

„Es fühlt sich an, als gäbe es ein Reservoir von Wut und Erschöpfung in mir, das immer mit einem Grundpegel gefüllt ist. Je älter ich werde, desto weniger muss zufließen, damit ich überkoche.“ (S.18)

Inhalt

MUTTER WERDEN UND FRAU BLEIBENÜber den Spruch kann Ava nur lachen. Ihr Leben wird schon seit Jahren komplett von der Familie bestimmt. Jetzt ist sie 43, das erste ihrer drei Kinder kommt in die Pubertät und ihr Mann macht Karriere. Und Ava? Funktioniert wie auf Autopilot. 
Als sie den neunzehn Jahre jüngeren Kieran kennenlernt, stürzt sie sich gegen alle Vernunft in eine Affäre. Zum ersten Mal seit langer Zeit erkennt sie die Frau wieder, die sie einmal war. Aber die heile Familie für ihr eigenes Glück opfern? Die Kinder dem Tratsch in der Kleinstadt aussetzen? Das kann Ava nicht. Und doch, die Liebe zu Kieran ist echt und die Sehnsucht nach Freiheit immer noch da.

Mein Eindruck

“Ava liebt noch“ ist bereits letzten Sommer erschienen – und doch ist es mir erst jetzt begegnet. Eine Rezension auf Instagram, in der ein eindringliches Zitat aus dem Roman geteilt wurde, hat meine Neugier geweckt. Und ich bin sehr froh, dem Impuls gefolgt zu sein, denn Vera Zischkes Roman hat mich tief bewegt.

Im Mittelpunkt steht Ava – Mutter von drei Kindern, Ehefrau eines erfolgreichen Anwalts – die sich in einen 19 Jahre jüngeren Mann verliebt. Sie beginnt eine Affäre mit Kieran, obwohl alles in ihrem Leben dagegen zu sprechen scheint. Auf den ersten Blick mag das wie ein vertrauter Plot klingen. Doch was Vera Zischke daraus macht, hebt sich wohltuend vom Gewohnten ab.

Besonders beeindruckt hat mich, wie feinfühlig und authentisch sie Avas innere Zerrissenheit schildert. Die Autorin beschreibt das Leben einer Frau, die scheinbar alles hat – Familie, Haus, Sicherheit – und sich dennoch wie gefangen fühlt. Sie zeichnet das Bild einer Mutter im Alltagstrott, voller Sehnsucht, Angst und Schuldgefühle. Zischkes Sprache ist dabei klar, intensiv und oft schonungslos – viele Sätze hallten lange in mir nach.

Erzählt wird die Geschichte sowohl aus Avas als auch aus Kierans Perspektive, was zusätzliche Tiefe verleiht. Interessanterweise bleibt Avas Ehemann stumm – ein erzählerischer Kniff, der zum Nachdenken anregt. Seine Perspektive hätte zwar weitere Nuancen eröffnen können, doch der Fokus auf die beiden Liebenden funktioniert auch so sehr gut.

Was diesen Roman besonders macht, ist die lange Erzählzeit: Über gut 20 Jahre hinweg begleiten wir Ava, was dem Roman eine besondere Reife und Tiefe verleiht. Zischke begnügt sich nicht mit einem romantischen Höhepunkt – sie fragt weiter: Was passiert danach? Wie entwickeln sich Gefühle, Beziehungen und Lebensentscheidungen über die Zeit?

Thematisch geht der Roman dabei weit über eine Liebesgeschichte hinaus. Er greift gesellschaftlich relevante Aspekte auf – etwa alternative Familienmodelle, Krankheit (Triggerwarnung: Krebs), Rollenbilder und Altersunterschiede in Beziehungen. All das wird geschickt in die Handlung verwoben, ohne belehrend zu wirken.

Die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten: Wird Ava den Mut finden, zu sich selbst und ihrer Liebe zu stehen? Oder scheitert alles an äußeren Zwängen und innerer Angst?

Ein kleiner Wermutstropfen: Kieran wirkt stellenweise fast zu perfekt – verständnisvoll, emotional reif, romantisch. Hier hätte ein wenig mehr Ambivalenz der Figur gutgetan.

Mein Fazit:

“Ava liebt noch” ist ein feinfühliger, kluger und tief berührender Roman über Liebe, Mut, Selbstfindung – und darüber, wie schwer es manchmal ist, das Richtige für sich selbst zu tun. Vera Zischke gelingt es, bekannte Themen mit neuer Tiefe zu erzählen. Wer literarische Geschichten liebt, die emotional fordern und lange nachwirken, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.

 
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