|Rezension| Das Leben fing im Sommer an – Christoph Kramer

von | Apr. 13, 2025 | 0 Kommentare

Kein Sommermärchen, aber ein solider Sommerroman

Gebundene Ausgabe: 23,00 Euro
Ebook: 19,99 Euro
Erscheinungsdatum: 13.03.2025
Seiten: 256

„Ich wusste, dass da sehr viel Liebe drinsteckte, und zu viel Liebe gibt es nicht, hatte mein Opa mir kurz vor seinem Tod gesagt. Ich war damals vier gewesen, aber dieser Satz hatte sich wie meine schönste Narbe in meine Gedanken eingeschrieben.“ (S.63)

Inhalt

Es ist der Sommer 2006, ein Hitzerekord jagt den nächsten, die Fußballweltmeisterschaft verändert das Land ― und für den 15-jährigen Chris verändert sich gerade das ganze Leben. Er verbringt die Abende mit seinen Freunden auf dem Dach der alten Scheune und verschläft die heißen Tage im Freibad.  Er will Fußballprofi werden, aber vor allem will er eins: endlich cool sein. Chris ist ein Teenager wie jeder andere auch, auf der Suche nach sich selbst. Dann passiert das Unfassbare. Debbie, das schönste Mädchen der Schule, interessiert sich ausgerechnet für ihn. Es beginnt eine emotionale Achterbahnfahrt, bei der Chris alles wagt und doch nie vergisst, was wirklich wichtig ist: Freundschaft und die Gewissheit, wirklich gelebt zu haben. Ein nächtlicher Roadtrip mit seinem besten Freund ist da ein guter Anfang…

Mein Eindruck

In der Verlagsvorschau fiel mir dieses Buch zuerst durch das wirklich schöne Cover auf. Der Titel klang ebenfalls vielversprechend, der Klappentext machte neugierig – nur mit dem Namen des Autors konnte ich zunächst nichts anfangen. Dann dämmerte es mir: Christoph Kramer? Der Fußballer? Schreibt einen Roman? Jetzt war meine Neugier endgültig geweckt.

Mit dieser Erwartungshaltung begann ich „Das Leben fing im Sommer an“ – und machte gleich zu Beginn einen entscheidenden Denkfehler: Beim Stichwort „Sommer 2006“ dachte ich sofort an das Sommermärchen – jener legendäre Fußballsommer, in dem ganz Deutschland (mich eingeschlossen) plötzlich zum Fan wurde. In meinem Kopf entstand die Vorstellung, dass ein Fußballer einen autofiktionalen Roman schreibt, in dem ein junger Mann namens Christoph Profifußballer werden will – natürlich vor dem Hintergrund eben dieses Sommers. Um es kurz zu machen: Genau darum geht es nicht. In einem Interview erfuhr ich später, dass Kramer bewusst keine Fußballgeschichte erzählen wollte. Fair enough – letztlich ist meine enttäuschte Erwartung mein eigenes Problem und sagt nichts über die Qualität des Buches aus.

Kommen wir also zum Inhalt: Sprachlich bewegt sich der Roman auf solidem Niveau. Es gibt keine besonders herausragenden Formulierungen, aber der Stil ist angenehm und flüssig, vor allem die Dialoge sind lebendig und glaubwürdig.

Die Handlung beginnt vielversprechend: Der 15-jährige Christoph ist zum ersten Mal verliebt – und diese erste große Emotion wird mit viel Offenheit und Feingefühl aus der Sicht eines Teenagers geschildert. Das sommerliche Setting passt perfekt zur Stimmung des Romans und verleiht ihm Leichtigkeit. Besonders schön fand ich, dass es sich nicht um eine reine Liebesgeschichte handelt, sondern das Thema Freundschaft eine zentrale Rolle spielt. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass Christophs Freunde sehr konkrete reale Vorbilder haben, was ihnen Authentizität verleiht.

Weniger überzeugend war für mich dagegen der zweite Handlungsstrang rund um den Roadtrip. Hier driftet die Geschichte in eher unrealistische Gefilde ab. Die Episode mit dem geklauten Auto wirkte auf mich überzogen und konstruierte Spannung, wo sie nicht notwendig gewesen wäre. Gerade weil der Roman zuvor so ehrlich und nahbar war, störte mich dieser Bruch.

Ein weiterer Aspekt, der mich zum Nachdenken brachte: Ich hatte überraschend wenige Momente der Identifikation. Weder erinnerte ich mich besonders oft an meine eigene Jugend, noch stellte sich das Gefühl ein, dass ich mich in Christophs Geschichte wiederfinde – obwohl die Themen universell sind. Vielleicht liegt das an Geschlecht, Herkunft oder (eigentlich gar nicht sooo großen) Altersunterschied – oder vielleicht ist es einfach Zufall.

Mein Fazit:

„Das Leben fing im Sommer an“ ist ein solides Debüt, das mit einem starken ersten Teil, glaubwürdigen Figuren und einem stimmungsvollen Setting punktet. Wer eine leichte Sommerlektüre mit einem Hauch Melancholie und einer Prise Nostalgie sucht, macht mit diesem Buch nichts falsch.

 
Vielen Dank an Kiepenheuer und Witsch für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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