|Rezension| Die Ruhelose – Riikka Pulkkinen
Intensiv, aber zu kurz…
„Auf einmal ist Maries Wirklichkeit schwer, auf einmal haben ihre Tage volles Gewicht. Die Grenze liegt deutlich gekennzeichnet vor ihren Augen. […] An der Grenze leben. Leben und beobachten, wie sich alles in sein Gegenteil verkehrt: Es gibt kein Ich mehr, stattdessen nur diese Leere. Resignation, die völlige Aufgabe des Ich – wie eine Krankheit, die das Gleichgewicht zerstört.“ (S.269f.)
Inhalt
“Die Ruhelose” ist Riikka Pulkkinens beeindruckender Debütroman, in dem sie die großen Fragen des Lebens nach Liebe und Tod stellt.
Was soll Anja tun? Die renommierte Universitätsprofessorin steht vor einem Wendepunkt in ihrem Leben. Ihr Mann ist schwer an Alzheimer erkrankt. Vor Jahren bat er Anja um ein Versprechen: Sobald er sein Gedächtnis verloren hat, will er mit ihrer Hilfe sterben. Auch Anjas Nichte Marie kämpft um die Liebe. Die 16-jährige Schülerin ist eine gefährliche Beziehung mit ihrem Lehrer eingegangen, den sie so liebt, wie man nur beim ersten Mal lieben kann: bedingungslos, leidenschaftlich, destruktiv. Als sie begreift, dass ihre Liebe zu dem verheirateten Mann keine Zukunft hat, muss sie einen Weg finden, mit dem Schmerz zu leben. Zwei Frauen, zwei Generationen und die immer gleiche Frage: Wie weit gehen wir für die Liebe?
Mein Eindruck
“Die Ruhelose” habe ich ganz spontan als Mängelexemplar in der Buchhandlung gekauft. Spontane Buchkäufe sind bei mir eher selten, aber hier haben mich Klappentext und Cover sofort angesprochen und kaum Zuhause, begann ich, den Roman zu lesen.
Riikka Pulkkinen erzählt in parallelen Handlungssträngen über das Schicksal zweier Frauen: Da ist die seit 30 Jahren verheiratete Wissenschaftlerin Anja mit dem demenzkranken Ehemann und die 17-jährige Schülerin Marie, die eine Affäre mit ihrem verheirateten Lehrer hat. Beide scheint nichts zu verbinden, außer die Tatsache, dass sie sich durch die Liebe zu einem Mann in einer Abhängigkeit befinden, die weder Anja noch Marie gut tut, was beiden irgendwann auch bewusst wird und sie vor die Frage stellt: Wie weit gehe ich für den Menschen, den ich liebe?
Da der Roman aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird und dabei nicht nur Anja und Marie, sondern bspw. auch der Lehrer und dessen kleine Tochter zu Wort kommen, ist er nicht nur abwechslungsreich, sondern vor allem sehr spannend und intensiv. Ungeschönt und klar schreibt die Autorin über zwei Frauen, die – jede auf ihre Art – Wege suchen, mit dem durch Liebe verursachten Schmerz umzugehen. Die melancholische Stimmung aufgrund der Thematik ist dadurch gut zu ertragen.
Was mir in “Die Ruhelose” allerdings fehlt, ist der Tiefgang. Beide Frauen bieten genügend Potenzial, um sich mit ihnen intensiver auseinanderzusetzen. Auch die Rolle der Lehrerstochter, die wohl die verstörendste im Roman ist, ist eine, über die man gern noch mehr erfahren würde. Riikka Pulkkinen bleibt mit ihrem Roman aber eher an der Oberfläche, vor allem was die Geschehnisse rund um Marie angeht. Ich hatte den Eindruck, dass sie eigentlich nur über Anja, ihren an Demenz erkrankten Ehemann und die damit einhergehenden Probleme schreiben wollte und die Story um Marie das Ganze nur “aufpeppen” sollte und dadurch zu kurz kommt. Aber wenn sie schon die Fässer “Machtmissbrauch”, “Sex mit Minderjährigen” und “Selbstverletzung” aufmacht, dann sollte sie sich auch entsprechend ernsthaft damit auseinandersetzen.
Mein Fazit:
“Die Ruhelose” ist gut und intensiv geschrieben. Ich habe es nicht bereut, diesen Roman gelesen zu haben, weil er sich mit wichtigen und schmerzhaften Fragen des Lebens auseinandersetzt. Schade ist, dass er stellenweise zu sehr an der Oberfläche bleibt. Ich hätte gern noch 50 Seiten mehr gelesen, damit die Geschichte insgesamt runder erscheint und nicht zu viele Fragen offen bleiben.