|Rezension| Hier geht‘s lang – Elke Heidenreich
Ein wunderschönes Herzensbuch: innen und außen
„Es gibt so viele Arten zu lesen. Als Kind liest man neugierig und entdeckt die Welt, dann sucht man sich selbst, dann das unbegreiflich Andere, man liest aus Pflicht, aus Bildungshunger, aus Unterhaltungslust. Man träumt sich weg beim Lesen (…). Man kann sich beim Lesen der Welt entziehen durch Flucht ins Buch, man kann aber auch lesend erst die Welt entdecken (…).“ (S.175)
Inhalt
Es waren Bücher von Frauen, die Elke Heidenreich geprägt haben, von frühester Jugend an. Später machte sie das Reden und Schreiben über Bücher zu ihrem Beruf. Und wurde, wie sie heute ist, durch Bücher: Denn Lektüre und Persönlichkeitsentfaltung bedingen einander, das Lesen durchdringt das Leben. Bücher von Frauen gaben ihr das Rüstzeug für alles, was sie heute macht, für die lebenslange Freude an Auseinandersetzungen, schwierigen Lektüren, am immer Weitermachen. Lesen macht glücklich und ist der rote Faden im Leben der Elke Heidenreich. Sie schreibt dieses Buch, um nachzuvollziehen, wie Bücher von Frauen uns zu dem machen, was wir sind, um zu verstehen, was Literatur bedeutet, und um ihren Leserinnen Anregungen zum eigenen Lesen und Leben zu geben.
Mein Eindruck
Elke Heidenreich liefert mit „Hier geht’s lang“ eine besondere Autobiografie, in der sie sich nicht – wie sonst bei Autobiografien üblich – an wichtigen Ereignissen entlang hangelt, sondern entlang der Bücher, die sie gelesen hat und die sie beeinflusst haben. Angefangen bei Kinderbüchern, über Jugendbücher bis hin zu den Büchern, die sie in ihrem erst jungen und dann auch fortgeschrittenen Erwachsenenleben las, erzählt sie unterhaltsam, reflektierend und analysierend wie und warum sie von den einzelnen Werken beeinflusst wurde.
Waren es Geschichten über brave Mädchen und wilde Jungs, die ihre Kindheit prägten, lernte sie spätestens in ihrem Germanistik-Studium die großen Werke der Weltliteratur kennen, die vor allem eines waren: von Männern verfasst. Obwohl sie einige dieser Werke durchaus zu schätzen wusste, fehlte ihr das Identifikationspotenzial in diesen Büchern. So sucht Elke Heidenreich sich andere Bücher, in denen sie sich wiederfindet – überwiegend Bücher von Frauen. Diese stehen im Mittelpunkt ihrer literarischen Autobiografie. Sie stellt Autorinnen vor, erzählt aus ihren Leben, zitiert aus ihren Büchern und beschreibt wie diese sich auf ihr eigenes Leben ausgewirkt haben.
Neben dem Mehrwert, den allein diese Buchempfehlungen haben, ist es aber vor allem die stets spürbare Liebe zur Literatur, die dieses Buch so lesens- und liebenswert macht. Elke Heidenreich sieht sich nicht als Buchkritikerin, sondern als Buchvermittlerin. Sie will keine Bücher verreißen, sondern Bücher empfehlen. Sie will Menschen zum Lesen bringen und ihnen damit die Möglichkeiten zeigen, die Literatur bietet: Eskapismus, Identifikation, Unterhaltung, Trost u.v.m. Während die meisten Menschen bei einer Einladung Wein oder Pralinen mitbringen, verschenkt Elke Heidenreich Bücher. Bücher, die zur Lebenslage des Beschenkten passen; Bücher, die trösten, ermutigen oder ablenken.
„Hier geht’s lang“ ist für mich ein echtes Herzensbuch, weil ich mich nicht nur in vielen Schilderungen der Autorin über ihr Leben und die Rolle der Literatur darin, wiedergefunden habe. Ich habe auch einige der Bücher, über die sie schreibt, gelesen und viel weitere für mich entdeckt, die ich in Zukunft lesen möchte. Ich mochte wie sie den Wert der Literatur von Frauen heraushebt ohne den Wert der Literatur von Männern zu mindern. Sie ist nicht der Meinung, dass alle Menschen ab sofort nur noch Literatur von Schriftstellerinnen lesen soll, sondern schafft vielmehr ein Bewusstsein dafür, dass Männer immer aus männlicher Perspektive schreiben und damit schon seit Jahrhunderten das Frauenbild prägen. So ist für viele Leserinnen der Mehrwert von Büchern von Frauen größer. Kein Wunder also, dass auch ich mit vielen Werken aus dem vorgegeben Kanon im Germanistik-Studium schlichtweg nichts anfangen konnte.
Elke Heidenreichs Liebe zur Literatur ist in jedem Satz, den sie in diesem Buch schreibt, spürbar. Aber nicht nur das Innere von „Hier geht’s lang“ ist eine Liebeserklärung an Bücher, sondern auch sein äußeres Erscheinungsbild. Das cremefarbene Cover drückt ebenso klassische Eleganz aus wie die edle, glatte Beschaffenheit der Seiten und die besondere Schriftart.
Mein Fazit:
Ich hatte mich sehr auf „Hier geht’s lang“ von Elke Heidenreich gefreut und wurde nicht enttäuscht. Mit viel Hintergrundwissen, Wärme, Humor und vor allem ganz viel Liebe schreibt sie über ihre größte Leidenschaft: das Lesen. Dieses Buch ist eine große Bereicherung für alle Menschen mit bibliophilen Neigungen – auch als Geschenk sehr viel besser geeignet als Wein oder Pralinen 😉