|Rezension| Inneres Wetter – Elke Schmitter

von | Sep 14, 2021 | 0 Kommentare

Ein Roman über die kleinen und großen Geheimnisse innerhalb einer Familie 

Verlag: C.H. Beck
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 16,99 Euro
Erscheinungsdatum: 15.07.2021
Seiten: 202

„Seine Kinder wären erstaunt, welche Erosionsprozesse sich hinter seiner Fassagenpflege ereignet haben.“ (S.122)

Inhalt

Eines Frühlingsmorgens schlägt Bettina Melker ihren beiden Geschwistern einen Überraschungsbesuch bei ihrem verwitweten Vater vor. Er wird 77, im Oktober, am Nationalfeiertag. In den Monaten bis zu dem Fest verdichten sich die Spannungen im Leben der alternden Kinder – als ob sie Rechenschaft ablegen müssten vor einem beobachtenden Auge. Doch schließlich reisen sie mit ihren Partnern oder dem Hund – und mit einigen Selbstzweifeln – ins beschauliche Westfalen. Was hält Familien zusammen? Woran bemisst sich ein gelungenes Leben? Mit viel Sinn für Komik und einer eigenwillig schönen Sprache erzählt Elke Schmitter in ihrem neuen Roman von einem Familientreffen auf schwankendem Grund.

Mein Eindruck

Sollte es in diesem Jahr eine Wahl zum Buchtitel des Jahres geben, wäre “Inneres Wetter” für mich ein Kandidat für die Shortlist. Eigentlich habe ich diesen Roman auch nur gelesen, weil ich diesen Titel unbedingt in meinem Bücherregal stehen haben wollte. Da wusste ich noch nicht, wie herausragend Elke Schmitter das innere Wetter ihrer Protagonisten, drei erwachsene Kinder und deren Vater, darzustellen vermag. “Als Wetter bezeichnet man den spürbaren, kurzfristigen Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort der Erdoberfläche, der unter anderem als Sonnenschein, Bewölkung, Regen, Wind, Hitze oder Kälte in Erscheinung tritt.” (Quelle: Wikipedia) Abstrahiert auf die Gefühlswelt von Bettina, Huberta, Sebastian und deren Vater liefert die Autorin hier einen schönen Sonne-Wolken-Mix (mit mehr Wolken als Sonne), der nicht nur die Strukturen der (erwachsenen) Eltern-Kind- sowie Geschwister-Beziehungen analysiert, sondern auch auf die Individuen selbst mit ihren Partnern, Kindern und Problemen blickt. 

Neben den wechselnden Perspektiven sind es die unterschiedlichen Formen des Erzählens, die den Spannungsbogen hoch halten. Neben vielen inneren Monologen gibt es auch pointierte Dialoge und authentische E-Mails, die für Abwechslung sorgen und eine Innenschau in die Seelen der handelnden Personen ermöglichen. Durch Rückblenden erfährt man Einiges aus der Vergangenheit der Geschwister und ihres Vaters. Die drei Teile „Ein Tag im Frühjahr“, „Zwei Tage im Sommer“ und „Drei Tage im Herbst“, in die der Roman gegliedert ist, bilden dabei die Rahmenhandlung – alles läuft darauf hinaus, dass die Kinder ihren Vater zu seinem 77. Geburtstag überraschen wollen. Je mehr man über die beteiligten Personen erfährt, desto mehr erwartet man eine Art Apokalypse bei diesem Wiedersehen. Aber Elke Schmitter überrascht mit einem unerwarteten Ende, das mir ausgesprochen gut gefallen hat, weil es einmal mehr verdeutlicht, dass der Sonne-Wolken-Mix im Inneren für die meisten Menschen nicht sichtbar ist und so letztlich jeder allein mit seinem inneren Wetter zu kämpfen hat.

Mein Fazit:

“Inneres Wetter” ist ein leiser Roman über das Innenleben einer Familie und darüber wie viel selbst innerhalb einer Familie im Verborgenen bleibt. Mit einer wunderbar poetischen Sprache erzählt Elke Schmitter eine Familiengeschichte, die ohne große Plottwists, dafür mit einem scharfen Blick auf die Gefühlswelt der Figuren überzeugt. 

 
Vielen Dank an den C.H. Beck Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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