|Rezension| Marta und Arthur – Katja Schönherr

von | Okt 8, 2020 | 0 Kommentare

Ein Anti-Liebesroman

Verlag: Arche
Taschenbuch: 12,00 Euro
Ebook: 10,99 Euro
Erscheinungsdatum: 24.07.2020
Seiten: 231

„Endlich“, schrie Georg. „Endlich, endlich, endlich!“ Er jubelte, als hätte seine Lieblingsfußballmannschaft gerade ein Tor geschossen. (…) „Endlich warst du mal ehrlich. Endlich hast du einmal geradeheraus gesagt, was los ist! Du siehst sehr schön aus, wenn du das machst, Marta.“ (S.177)

Inhalt

Marta ist Schülerin, Arthur Referendar. Arthur interessiert sich für Marta, und Marta fühlt sich von Arthur angezogen – warum, weiß keiner von beiden so genau. Marta ist unerfahren und naiv, Arthur ein wortkarger Eigenbrötler. Trotzdem beginnen sie eine Affäre, bekommen schließlich ein Kind und bleiben über 40 Jahre lang ein Paar.
Katja Schönherr erzählt von zwei Menschen, die sich trotz größter gegenseitiger Abneigung jahrzehntelang nicht trennen – und hält so mancher Beziehung einen abgrundtiefen Spiegel vor.

Mein Eindruck

Liest man den Titel dieses Romans denkt man sofort an eine romantische Geschichte a la „Romeo und Julia“ oder „Harry und Sally“, aber damit lenkt Katja Schönherr den Leser auf eine völlig falsche Fährte. Mit „Marta und Arthur“ bekommt man nämlich keine romantische Liebesgeschichte zwischen Schülerin und Lehrer geliefert, sondern vielmehr eine Anti-Liebesgeschichte.

In klarer, nüchterner Sprache erzählt die Autorin aus Martas Perspektive über eine Beziehung, die von Beginn an krankte, die über die Jahre immer toxischer wurde und trotzdem erst im Tod des Mannes ihr Ende fand. Die Geschichte setzt unmittelbar mit Arthurs Tod ein und ist in zwei Erzählsträngen aufgebaut: die Gegenwart, in der Arthur tot in seinem Bett liegt und die Vergangenheit, die Martha nach und nach aufrollt. Sie schildert wie sie Arthur, der als Referendar an ihre Schule kam, kennenlernte, wie sie die 16 Jahre Altersunterschied eher angezogen als abgestoßen haben und wie sie ihn durch das heimliche Absetzen der Pille und die folgende Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Michael an sich band. Und sie erzählt von ihrer alkoholkranken Mutter, ihrem toten Vater und ihrer traurigen Kindheit, die wohl einiges dazu beigetragen haben, dass Marta sich so verhält wie sie sich verhält. Viele ihrer Handlungen sind nicht nachvollziehbar und werden von ihr auch nicht erklärt. Gerade das macht aber den Reiz dieses Romans aus. Hier wird nicht  bewertet oder psychologisiert, sondern vielmehr eine verstörende Beziehung seziert, aus der keiner der Beteiligten einen Ausweg findet. Stattdessen machen sie sich gegenseitig das Leben schwer, sind voller Verbitterung und spielen gemeine Spielchen miteinander. Dabei kämpft Marta all die Jahre um Arthurs Anerkennung und Liebe, die er ihr aber nie gibt. 

Warum sollte man so etwas Verstörendes lesen? Diese Frage habe ich mir während des Lesens immer wieder gestellt. Ich konnte aber auch nicht aufhören. Ich war regelrecht gebannt von dieser abnormalen Beziehung beider, wollte wissen, wie es dazu kommen konnte, warum sie sich nicht trennen und wie Marta nun zu Arthurs Tod steht. Ist sie erleichtert? Trauert sie? Was empfindet man, wenn der Mensch, mit dem man 40 Jahre stillschweigend zusammengelebt hat, stirbt? Katja Schönherrs antwortet auf all diese Fragen nur indirekt, aber mit einer Radikalität, die gleichermaßen faszinierend wie schockierend ist. Sie zeigt auf, wie sehr unser Handeln durch Erfahrungen in unserer Kindheit geprägt ist, wie man ohne es zu beabsichtigen oder gegensteuern zu können, einen Weg einschlägt, der offensichtlich der falsche ist, aber auf dem man irgendwann weder vorwärts noch rückwärts gehen kann. 

Mein Fazit:

Liebesromane über zwei Menschen, die sich kennen- und lieben lernen und nach allerlei Hindernissen doch ihr gemeinsames Glück finden, gibt es viele. Einen Roman wie “Marta und Arthur”, in dem zwar die Beziehung zwischen zwei Menschen im Zentrum steht, der aber kein Liebesroman, sondern vielmehr ein Anti-Liebesroman ist, habe ich allerdings noch nie gelesen. Die gerade einmal 231 Seiten  umfassende Geschichte hat mich durch ihre beinahe verstörende Ehrlichkeit und den fesselnden Plot nachhaltig beeindruckt. “Marta und Arthur” tut weh beim Lesen, aber die Erfahrung lohnt sich.

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