|Rezension| Trost – Ida Hegazi Høyer

von | Okt 10, 2019 | 0 Kommentare

Über Einsamkeit und Sex und Mitleid

Übersetzung: Alexander Sitzmann
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 15,99 Euro
Erscheinungsdatum: 27.08.2019
Seiten: 244

„Sie sind leicht, haben eine Leichtigkeit an sich. Nicht unbelastet oder schwerelos, aber sie haben die Schwere im Griff, eine Fähigkeit, die sich in ihnen beiden spiegelt und die sie intuitiv aneinander wiedererkennen. Einfachheit ist eine Möglichkeit. Alle, die mehr Lächeln, als es Gründe dafür gibt, tun es, weil es die einzige Möglichkeit ist. Und sie ähneln einander, diese beiden. In ihrem Lächeln liegt die Akzeptanz. In der Akzeptanz gibt es einen Übermut. Und der ist so groß, dass man die eigene Last darüber vergessen kann.“ (S.80)

Inhalt

Eine namenlose Frau reist alleine nach Lissabon, Berlin und Brüssel. In jeder Stadt beginnt sie eine Beziehung: einmal mit einem Mann, einmal mit einer Frau und zuletzt mit einem viel jüngeren Mann. Drei Begegnungen zwischen Anonymität und Begehren, drei Großstädte, drei Paare, die sich im Trubel einer atemlosen Gegenwart finden. Alle sind auf der Suche, versuchen aber zugleich im Schutz der Unverbindlichkeit zu bleiben. Immer wieder lässt die Frau sich auf Nähe ein, Intimität entsteht, ohne zu wissen, ob der Andere Gefahr oder Trost bedeutet. Immer wieder wird dem Fremden die Türe geöffnet, um nicht in der Kälte und Einsamkeit der Großstädte zu ersticken. „Trost“ erzählt mit großer Unmittelbarkeit von der Liebe in Zeiten der Rastlosigkeit.

Mein Eindruck

Einen Roman mit diesem sinnlichen Coverbild und dem prägnanten Titel „Trost“ konnte ich unmöglich im aktuellen Herbstprogramm ignorieren. Da Ida Hegazi Høyer außerdem Norwegerin ist und Norwegen in diesem Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse ist, war „Trost“ die perfekte Einstimmung auf den Leseherbst.

Aber nicht nur die äußeren Werte des Romans passen zum Herbst, auch die inneren Werte qualifizieren diesen zeitgenössischen Roman über eine namenlose Frau, die in drei europäischen Großstädten drei sehr unterschiedliche Beziehungen (im weitesten Sinne) führt. Die Stimmung des Buches ist sehr ruhig und etwas bedrückend – also passend für graue Herbsttage.

Sich als Leser*in auf eine namenlose Protagonistin ohne Hintergrundinformationen zu ihrer Lebenssituation einzulassen, ist zugegebenermaßen schwierig. Hinzu kommt, dass die Sprache der Autorin zwar sehr direkt ist, wenn es um die körperlichen Aspekte der Beziehungen geht, im Gegensatz dazu aber bei der Beschreibung von Emotionen eher zurückhaltend. Damit schafft die Autorin zwar einen interessanten Kontrast, der es leicht macht, die drei Episoden innerhalb des Romans schnell zu konsumieren. Andererseits bleibt die Protagonistin dadurch dauerhaft auf Distanz, was schade ist, weil dadurch auch die eigenen Emotionen während des Lesens auf der Strecke bleiben.

Im Fokus des dreiteiligen Romans stehen die Reisen der Protagonistin nach Lissabon, Berlin und Brüssel und die Menschen, die sie dort kennenlernt und auf die sie sich einlässt. So unterschiedlich wie die Menschen und dadurch auch die drei Beziehungen sind, eint sie doch eines: Sie sind ein Versuch, die Einsamkeit zu überwinden, allerdings ohne sich wirklich auf den anderen einlassen zu wollen. Man bleibt auf Abstand, um nicht verletzt zu werden, weiß aber zugleich, dass eine Beziehung auf diesem Level nicht das Nonplusultra sein kann. Attribute einer Großstadt werden hier auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen: Unverbindlichkeit, Distanz, Anonymität auf der einen Seite; Abenteuer, Luxus und Spaß auf der anderen Seite. 

Man ahnt es bereits: Keine der drei Geschichten endet wirklich gut, so dass sich das leicht bedrückende Gefühl, das man von Beginn an während des Lesens spürt, bis zum Ende bleibt. Erbaulich ist die Lektüre von „Trost“ also nicht, aber sie gibt einen interessanten Einblick in die Wirkungsweise moderner Beziehungsformen.

 

 

Mein Fazit:

„Trost“ von Ida Hegazi Høyer ist ein kurzweiliger Roman über moderne Formen großstädtischer Beziehungen. Die zentralen Themen Fremdheit, Intimität, Einsamkeit und Begehren werden hier beispielhaft anhand von drei sehr unterschiedlichen Beziehungen in drei europäischen Großstädten miteinander verwoben. Dabei überzeugt die Autorin zwar durch einen abwechslungsreichen, ansprechenden Schreibstil, dessen Qualität leider durch eine oberflächlich dargestellte Protagonistin, die mir bis zuletzt fremd blieb, abgemindert wird.

 
Vielen Dank an den Residenz Verlag und Kirchner Kommunikation für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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