|Rezension| Wedding People – Alison Espach
Zwischen Zynismus und Zärtlichkeit – Alison Espachs „Wedding People“

„Es gibt manchmal Menschen auf dieser Welt, die einen daran erinnern, auf welche Weise man sich am liebsten unterhält.“ (S.137)
Inhalt
Als Phoebe Stone in einem grünen Seidenkleid und goldenen High Heels im prächtigen »Cornwall Inn« ankommt, wird sie von allen für einen Hochzeitsgast gehalten. Doch sie ist die Einzige, die nicht zum Feiern angereist ist. Seit Jahren hat sie davon geträumt, mit ihrem Mann hierherzukommen. Nun ist sie ohne ihn hier, am Tiefpunkt ihres Lebens, fest entschlossen, sich ein letztes Mal etwas zu gönnen, bevor sie mit allem Schluss macht. Dumm nur, dass sie ausgerechnet der Braut in die Quere kommt. Die hat jedes Detail und jede denkbare Katastrophe sorgfältig einkalkuliert – mit einer Ausnahme: Phoebe und deren Vorhaben. Als sich ihre Wege kreuzen, gerät alles aus dem Takt, und es setzt etwas in Gang, das keine von ihnen erwartet hat.
Mein Eindruck
Es gibt Bücher, die man schon nach wenigen Seiten einfach fühlt. Bei mir war das bei “Wedding People” genau so. Gleich die Anfangsszene, in der Phoebe in einem eleganten Hotel ankommt, in der Lobby Platz nimmt und die Hochzeitsgesellschaft beobachtet, hat mich gepackt. Mit scharfem Blick, trockenem Humor und einer Prise Melancholie beschreibt sie die Gäste und ich wusste: Dieser Roman ist genau das, was ich jetzt will und brauche.
Alison Espach erzählt mit feinem, intelligentem Witz, der so typisch britisch wirkt, dass man fast vergisst, dass die Autorin Amerikanerin ist. Der Humor entsteht nicht aus überdrehten Pointen, sondern aus präziser Beobachtung, aus dieser leisen, aber gnadenlosen Situationskomik, die das Alltägliche entlarvt. Und dann gibt es auch Szenen, die an Skurrilität kaum zu überbieten sind – Stichwort “Hochzeitsauto”. Espach findet dabei die perfekte Balance zwischen Zynismus und Wärme. Sie lacht nie über ihre Figuren, sondern mit ihnen. Gerade diese feine Dosierung macht den Roman so stark: Er ist unterhaltsam, ohne seicht zu sein, klug, ohne belehrend zu wirken. Letzteres kommt zum Beispiel auch durch die vielen literaturwissenschaftlichen Bezüge zum Ausdruck, die darin begründet sind, dass Phoebe Dozentin für englische Literatur ist. Jane Austen Fans kommen hier auf jeden Fall auf ihre Kosten.
Die Charaktere sind so vielschichtig, dass man sie fast real zu kennen glaubt. Bräutigam Gary war für mich die positivste Überraschung: charmant, nachdenklich, immer leicht melancholisch und gerade deshalb so sympathisch. Aber auch Phoebe und Lila sind toll gezeichnete Figuren: zwei Frauen, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, und doch auf einer stillen Ebene miteinander verbunden sind. Ihre Begegnung verändert beide – nicht in großen Gesten, sondern in kleinen Momenten. Espach versteht es meisterhaft, diese Beziehungen nicht zu erklären, sondern zu zeigen. Ihre Figuren sprechen, handeln, reagieren – und erst aus diesen feinen Zwischentönen ergibt sich, was sie wirklich bewegt. Das ist erzählerisch großes Kino.
Was “Wedding People” so besonders macht, ist seine atmosphärische Dichte. Espach schreibt in einer klaren, unaufgeregten Sprache, die nie kitschig wirkt und trotzdem voller Gefühl ist. Der Roman hat diese seltene Ruhe, die einen beim Lesen ganz in seine Welt zieht. Trotz seiner 480 Seiten hatte ich nie das Gefühl, dass er zu lang wäre. Im Gegenteil, ich hätte gern noch hundert Seiten weitergelesen. Jede Szene, jede Beobachtung hat ihren Platz, nichts wirkt überflüssig oder gestreckt.
Auch das Ende hat mich überzeugt. Es ist offen, aber nicht unbefriedigend. Oder anders gesagt: es ist lebensnah. Manchmal reicht es, zu wissen, dass es weitergeht.
Mein Fazit:
“Wedding People” ist ein intelligenter, warmherziger, witziger und zugleich lebensbejahender Roman über Einsamkeit, Sehnsüchte und die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen. Alison Espach gelingt ein Kunststück: Sie schreibt leicht, ohne flach zu sein und tiefgründig, ohne zu beschweren.
Es ist ein Roman, der mit Humor, Scharfsinn und viel Menschlichkeit überzeugt und der mich von der ersten Szene in der Hotellobby bis zum letzten Satz nicht losgelassen hat. Ganz klare Leseempfehlung!