|Rezension| Endlosschleifentage – Fabian Neidhardt
Trauern ist kein gerader Weg – aber dieser Roman geht ihn manchmal zu glatt

„Das ist das Traurige daran. All die Seiten von mir, die nur da waren, wenn du da warst, wird niemand mehr jemals sehen.“ (S.238)
Inhalt
Wie geht das Leben nach dem Tod der großen Liebe weiter?
Von Trauer und Freundschaft, Verlust und Tabus, von Neuanfängen und Abschied
David und Katha kennen sich schon immer, sind gemeinsam erwachsen geworden und haben jung geheiratet. Doch dann kommt Katha bei einem Autounfall ums Leben, und Davids Welt steht still. Sie war jedes seiner ersten Male, sie ist jede Erinnerung. Kinga, Kathas beste Freundin, die den Unfall mit- und überlebt hat, versucht zu helfen, sich zu kümmern – während sie eigentlich mit ihrem eigenen Trauma klarkommen muss. David kämpft sich Tag für Tag auf den Friedhof – zu Katha – und fragt sich, wie Trauern geht. Am Friedhof lernt er Marie kennen.
Was bedeutet loslassen?
Marie ist die Tochter des Totengräbers, die ihre eigene Vergangenheit aufarbeiten muss und von Konventionen nichts hält. Der Friedhof ist ihr Leben, und sie weiß, dass niemand hier zu viel Zeit verbringen sollte. Kinga hingegen denkt, dass David erst einmal trauern muss. Aber David kann weder das eine noch das andere. Jeder Schritt in eine Richtung ist ein Schritt weg von Katha. Der Halt von Marie fühlt sich wie Verrat an. Die Enttäuschung von Kinga lähmt ihn. Nur die Musik, die er macht, klingt richtig.
Die zutiefst menschlichen Momente
Wie fühlt es sich an, die eigene Frau, die beste Freundin viel zu früh zu verlieren? Wie trauert man richtig? Wie findet man zurück in einen Alltag, ins Leben? David findet Antworten: in den Menschen, die ihm Halt geben, in den Augenblicken, die ihn hoffen lassen, und in den neuen – ganz eigenen – Wegen, die sich hinter der Trauer auftun.
Fabian Neidhardt schreibt wie im Film, erzählt mitreißend und intensiv von den dunkelsten und den wunderbarsten Gefühlen – da sind Schmerz und Angst, aber vor allem: Wärme. Ein Roman, der zum Weinen und zum Lächeln bringt.
Mein Eindruck
Drei Romane hat Fabian Neidhardt bislang veröffentlicht – ich habe alle gelesen. Endlosschleifentage ist sein jüngstes Werk und das erste, das mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt.
Was ich an Neidhardts Büchern sehr schätze, ist der Mut, sich unbequemen Themen zu stellen. Als ich in meinem Umfeld erzählte, worum es in diesem Buch geht, bekam ich oft dieselbe Reaktion: „Oh nee, wie kannst du sowas lesen? Das ist doch viel zu traurig.“ Aber genau das ist es, was mich an solchen Geschichten fasziniert: Sie tun weh, sie fordern heraus, sie lassen einen fühlen – manchmal ein bisschen zu viel. Tod und Trauer sind keine einfachen Themen, und es gehört einiges dazu, sie literarisch anzugehen. Doch erstmals war ich nicht vollständig überzeugt davon, wie Neidhardt das umsetzt.
Erzählerisch gelingt ihm einiges: Der souveräne Wechsel zwischen den Perspektiven von David, Kinga und Marie bringt Dynamik, und auch der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit sorgt für Spannung. Besonders gelungen finde ich die vielen klugen, einfühlsamen Sätze über das Trauern – schon allein deshalb lohnt sich die Lektüre.
Inhaltlich nähert sich der Roman dem Thema Trauer facettenreich: David und Kinga trauern um denselben Menschen, während Marie den Verlust ihrer Mutter bereits als Kind erlebt hat – ein völlig anderer Ausgangspunkt. Neidhardt macht deutlich, dass Trauern kein geradliniger Prozess ist. Es gibt Rückschritte, Fortschritte, Stillstand – und keine zwei Menschen trauern gleich, selbst wenn sie den gleichen Verlust teilen. Im Nachwort betont der Autor, dass es keinen “richtigen” Weg zu trauern gibt. Diese Botschaft trägt der Roman überzeugend.
Es gibt zudem einen spannenden Plot-Twist, der die Geschichte in eine neue Richtung lenkt – für meinen Geschmack allerdings etwas zu knapp und oberflächlich erzählt. Hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht: innere Monologe, die die emotionale Wucht spürbar machen, oder intensivere Dialoge zwischen den Figuren.
Was mich allerdings wirklich gestört hat, war die allzu glatte Entwicklung der Handlung. Zu oft dachte ich: „Ja, nee, ist klar.“ Vieles wirkt konstruiert, manches unrealistisch – und das mindert leider die Glaubwürdigkeit. Die Figuren sind fast durchweg sympathisch, was auf Dauer etwas blass wirkt. Eine Ausnahme bildet Kinga, deren ambivalente Persönlichkeit für mich die spannendste im Buch war. Aber einige Wendungen in der Geschichte erschienen mir so unwahrscheinlich, dass sie das sensible Thema Trauer eher entwerteten, als ihm Tiefe zu verleihen.
Gerade deshalb würde ich Endlosschleifentage nur mit Vorbehalt empfehlen – vor allem nicht gezielt an trauernde Menschen. Denn trotz der starken Ansätze vermittelt der Roman letztlich ein Bild, das ich persönlich nicht teilen möchte: dass das Leben nach ein paar Wochen schon irgendwie weitergeht. Und genau das ist, glaube ich, das Letzte, das jemanden hilft, der einen schweren Verlust erlebt hat.
Mein Fazit:
Endlosschleifentage ist ein mutiger Roman über ein schwieriges Thema. Fabian Neidhardt findet viele kluge Worte über das Trauern und zeigt, dass es keinen vorgeschriebenen Weg durch die Trauer gibt. Die verschiedenen Perspektiven und zeitlichen Ebenen verleihen der Geschichte Tiefe – doch genau diese Tiefe fehlt stellenweise in der Ausgestaltung der Figuren und der Handlung. So bleibt der Roman zwar bewegend, aber in Teilen auch zu glatt erzählt, um wirklich lange nachzuhallen.