|Rezension| Nach Mattias – Peter Zantingh

von | Mrz 25, 2020 | 0 Kommentare

Ein Buch über den Schmetterlingseffekt

Verlag: Diogenes
Übersetzung: Hanni Ehlers
Originaltitel: Na Mattias
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 18,99 Euro
Erscheinungsdatum: 26.02.2020
Seiten: 240

„Trauer ist wie ein Schatten. Der richtet sich nach dem Stand der Sonne, fällt morgens anders als abends. Der lehnt dunkel und geduldig an der Wand, streckt sich in voller Länge über den Asphalt aus oder zeichnet hinter deinem Rücken die Silhouette einer graziös drohenden Schlange auf den zu lange nicht gemähten Rasen. In diesen ersten Wochen wusste ich manchmal nicht, ob ich meinen eigenen Schatten sah oder den von jemandem, der sich mit den besten Absichten dicht neben mich gestellt hatte.“ (S.7f.)

Inhalt

Amber singt bei einem Konzert gegen ihren Schmerz an; Quentin läuft Kilometer um Kilometer, um der Erinnerung zu entkommen, und Kristianne möchte die wahre Geschichte ihres Sohnes erzählen. Diese Leben und das von fünf weiteren Menschen überkreuzen sich durch Mattias’ unerwartetes Verschwinden auf schicksalhafte Weise. Wie Puzzlesteine fügen sich ihre Geschichten zu einem Abbild von Mattias und werden trotz aller Trauer zu Zeugen seiner Begeisterungsfähigkeit und seines unbeugsamen Mutes, sich dem Leben jeden Tag vorbehaltlos hinzugeben.

Mein Eindruck

Als ich den Klappentext zu “Nach Mattias” las, war ich von dem Konzept des Romans sofort angetan, denn es erinnerte mich an den Butterfly Effect. Der plötzliche Tod eines jungen Mannes wirkt sich nachhaltig auf das Leben von acht Menschen aus, die aus der Ich-Perspektive erzählen, wie sich ihr Leben “nach Mattias” verändert hat. Dabei hat sich Peter Zantingh nicht nur auf Personen beschränkt, die aus Mattias’ unmittelbaren Umfeld kommen, sondern er lässt auch Menschen zu Wort kommen, die nur einen indirekten Bezug zu ihm hatten. 

Der Roman beginnt mit der Person, die Mattias wohl am nächsten stand: seiner Freundin Amber. Entsprechend nahe geht der Einstieg ins Buch, bei dem ich dachte “Das ist MEIN Buch. Das wird richtig, richtig gut.” Diese Begeisterung konnte ich allerdings im Laufe der Geschichten nicht aufrecht erhalten. Amber, die mit ihrer Geschichte die anderen im ersten und letzten Kapitel einrahmt, war mir als Figur am nächsten, vielleicht auch deshalb, weil sie sich direkt mit der Trauer um eine geliebte Person und der damit verbundenen Ohnmacht auseinandersetzt. Aber auch die Geschichten der anderen Figuren habe ich gern gelesen. Dank Zantinghs prägnanter Sprache, die sich aufs Wesentliche beschränkt, wirkt jede der acht Erzählung sehr eindringlich. Ähnlich wie bei einer Kurzgeschichtensammlung findet man aber nicht zu jeder der Erzählungen den gleichen Zugang. So war mir beispielsweise Amber am nächsten, aber auch Nathan, Kristianne und Tirra fand ich spannend, während Riet und Hendrik mich beispielsweise kaum berührt haben.

Bei „Nach Mattias“ ist es eher die Gesamtkomposition des Romans, die für sich wirkt. Nicht nur, dass Zantingh den Spannungsbogen sehr geschickt aufrecht erhält, indem er den Leser bis zum siebten von neun Kapiteln im Unklaren lässt, was eigentlich mit Mattias geschehen ist. Es ist auch der Tenor des Buches, der mich beeindruckt hat, denn anders als erwartet, ist dies kein deprimierendes Trauer-Buch, sondern eher ein hoffnungsvoller Roman um eine zentrale Figur, die als solche gar nicht auftritt, sondern durch sein Umfeld charakterisiert wird und deren Auswirkungen auf einzelne Personen auch nach dem Tod noch spürbar sind. Es geht um das „Wie mache ich weiter ?“ – eine Frage, auf die jeder seine eigene Antwort findet. Die verschiedenen Überlebensstrategien, die Zantingh hier skizziert, könnten unterschiedlicher nicht sein. Gemeinsam haben sie allerdings, dass man am Ende jeder Geschichte Hoffnung spürt.

Was mir außerdem sehr gut gefallen hat, ist die große Rolle, die Musik in diesem Buch spielt. Musik war nicht nur eine von Mattias‘ Leidenschaften, sondern sie ist z.B. auch in der Geschichte von Amber und Issam von Bedeutung. Durch die am Ende abgedruckte, vom Autor zusammengestellte Playlist mit Titeln, die ihn beim Schreiben begleitet haben, wird das Gesamtkonzept des Buches hervorragend abgerundet, da die Titel das Gelesene sehr schön komplettieren. 

Mein Fazit:

„Nach Mattias“ ist ein Buch über Trauer, aber kein trauriges Buch. Wie Peter Zantingh die Fäden der acht Personen um Mattias sehr zart verknüpft und so dabei sehr einfühlsam und präzise unterschiedliche Lebensentwürfe und den Umgang mit Tod eines Menschen porträtiert, hat mich sehr beeindruckt. Unweigerlich stellt man sich beim Lesen die Frage, welche Auswirkungen wohl das eigene, unvorhersehbare Ableben auf das Leben anderer Menschen hätte. Bei mir führte das zu viel Demut und dem Wunsch, das Leben bestmöglich zu nutzen – genau wie es Mattias getan hat. 

 
Vielen Dank an den Diogenes Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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