|Rezension| Ich denk, ich denk zu viel – Nina Kunz

von | Nov 1, 2021 | 0 Kommentare

Wer sich vom Titel angesprochen fühlt, sollte dieses Buch lesen! 

Verlag: Kein & Aber
Gebundene Ausgabe: 20,00 Euro
Ebook: 16,99 Euro
Erscheinungsdatum: 16.03.2021
Seiten: 208

„Beim Lesen muss man sich schließlich nie verstellen. So las auch Proust nur, wenn er wirklich Lust dazu hatte, lachte nur, wenn er sich ehrlich amüsierte und selbst Moliére stellte er zurück ins Regal, wenn dieser in anödete. Bücher haben eine Art der Verlässlichkeit, die einzigartig ist. Sie sind für einen da, trösten und wollen nichts im Gegenzug. Das Lesen ist intim, direkt und vertraut. Vielleicht ist es sogar die einzig real existierende Form ‘bedingungsloser’ Liebe.“ (S.168)

Inhalt

Was sollen diese ewigen Gedankenschlaufen? Was haben schlaflose Nächte auf Instagram zu bedeuten? Und wie kann Jean-Paul Sartre bei Panikattacken helfen? Persönlich und präzise schreibt Nina Kunz – Schweizer Kolumnistin des Jahres 2020 – über das Unbehagen der Gegenwart und geht der Frage nach, warum sich ihr Leben, trotz aller Privilegien, oft so beklemmend anfühlt. Ein Buch über Leistungsdruck, Workism, Weltschmerz, Tattoos, glühende Smartphones, schmelzende Polkappen und das Patriarchat.

Mein Eindruck

Wenn dir die Kollegin mit den Worten “Guck mal, das könnte doch was für dich sein!” ein Buch auf den Schreibtisch legt und du dich schon vom Titel angesprochen fühlst, weil du auch oft zu viel denkst, dann kannst du gar nicht anders, als dieses Buch mit nach Hause zu nehmen. “Ich denk, ich denk zu viel” beinhaltet Essays der Schweizerin Nina Kunz über Themen, die ihre (=meine) Generation beschäftigen. Sie schreibt über Leistungsdruck, über Weltschmerz, die Pandemie, über Liebeskummer, ihre Heimatstadt Zürich und ihre Liebe zum Herbst. Unterteilt sind die 30 Texte in 3 Themenbereiche: Sinnkrisen, Selbstzweifel und Sehnsüchte. Am meisten haben die “Sehnsüchte”-Texte mein Herz erwärmt. Vor allem die Essays “Herbst”, in dem sie selbigen auf grandiose Weise mit dem Sommer vergleicht; “Genüge ich dir?”, in dem sie sehr persönlich über Liebeskummer schreibt und “Chhhht” – ein Text über die schönste Sache der Welt: das Lesen, machen mich von jetzt an zum Nina Kunz-Fangirl. Selten habe ich mich in Texten so sehr wiedergefunden wie in diesen.

Natürlich ist das nicht bei allen 30 Essays der Fall – das wäre ja schon etwas spooky – aber dennoch habe ich alle sehr gern gelesen, mochte ihre Authentizität und spannenden, originellen und reflektierten Gedankengänge, ihren selbstironischen Ton in manchen Texten und dass sie sich mit alltäglichen Themen beschäftigt, die man selten in Büchern findet, die aber hohes Identifikationspotenzial bieten. Kunz’ Texte haben eine angenehme Leichtigkeit, sind dabei aber keineswegs oberflächlich. Im Gegenteil: Viele ihre Gedankengänge bleiben im Kopf, ebenso  fantastische Formulierungen wie “Im Herbst dagegen erwartet niemand etwas von dir. Und niemand erwartet etwas vom Herbst.” – so einfach, so wahr! 

Mein Fazit:

“Ich denk, ich denk zu viel” liest sich wie ein wohlformuliertes Tagebuch – man taucht ein in das Leben eines anderen Menschen, findet sich zu einem großen Teil in den Ansichten und Gedanken wieder, leidet und freut sich mit der Autorin und möchte nach der Lektüre des Buches am liebsten bei ein bis drei Gläsern Wein mit ihr zusammensitzen und über Gott und die Welt philosophieren. Diese Textsammlung ist gerade in der aktuellen Zeit ein sehr tröstliches Buch, das ich jedem empfehlen möchte, der oder die sich im Buchtitel wiederfindet.

 
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