|Rezension| All the other mothers hate me – Sarah Harman
“All the other mothers hate me” – der Titel ist Programm!
„’Dylan’, rufe ich, ‘aufstehen! Du kommst noch zu spät!’ Mein Sohn taucht vollständig bekleidet samt St.-Angeles-Kappe und Schlips in meiner Zimmertür auf. ‘Haha, sehr witzig, Mum.’ Er verdreht die Augen und drückt mir eine gekühlte Dose Red Bull in die Hand. Ich nehme einen Schluck. Sobald wir unser Morgenritual hinter uns haben, ziehe ich mir die warme Decke über den Kopf.“ (S.10)
Inhalt
Florence, Ex-Partygirl, wählt stets den leichtesten Weg. Nach dem ernüchternden Ende ihrer Girlband-Karriere lebt sie pleite und alleinerziehend in London. Ihr Sohn Dylan ist der einzige Grund, aus dem Bett zu kommen. Doch dann verschwindet Alfie – Bully ihres Sohns und Erbe eines Tiefkühlimperiums –, und Dylan wird zum Hauptverdächtigen. Flo steht vor einer Aufgabe, der sie ausnahmsweise nicht ausweichen kann: Sie muss den Namen ihres Sohnes reinwaschen, um ihn nicht zu verlieren. Das Problem? Ihr Verdacht, dass Dylan vielleicht doch nicht so unschuldig ist, wie sie gerne glauben würde…
Mein Eindruck
“All the other mothers hate me” war ein Spontankauf in der Buchhandlung aufgrund des grandiosen Buchtitels (Und wie toll, dass der deutsche Verlag den Originaltitel behalten hat!) und des ersten Satzes im Buch: “Vermisst wird der zehnjährige Alfie Risby, aber um ganz ehrlich zu sein: Er ist ein kleines Arschloch!”. Das klang so wunderbar (t)rotzig, dass ich nicht widerstehen konnte.
Der Einstieg wirkt fast wie eine Komödie: Die Protagonistin Florence Grimes – 31 Jahre alt, Ex-Partygirl, früher Mitglied einer Girlband, jetzt alleinerziehend in London, finanziell knapp – wird morgens von ihrem zehnjährigen Sohn Dylan mit einer Dose Energydrink geweckt. Dass sie nicht Teil der gehobenen Elterngruppe der Privatschule ihres Sohnes ist, wird früh und direkt klar: extrovertierte Kleidung, rotziges Auftreten, chaotischer Alltag. Dieses Nicht-Dazugehören macht sie zur Außenseiterin unter den anderen Müttern – und damit zu einer interessanten Figur.
Florence ist die perfekte als Anti-Heldin: Sie hat keine Ermittlungs-Skills, ist eher impulsiv und unperfekt – genau das macht sie sympathisch. Ihre Mutterliebe steht über allem. Und das ist glaubwürdig dargestellt: Sie trifft Fehlerentscheidungen, stolpert von einer Katastrophe zur nächsten, aber immer mit dem Ziel, ihren Sohn zu schützen.
Sarah Harman gelingt eine überzeugende Mischung aus Gesellschaftssatire und Thriller. Die Krimielemente kamen für mich überraschend, da der Beginn eher komödiantisch wirkt. Doch genau das führte dazu, dass ich die letzten 250 Seiten des Romans in einem Rutsch gelesen habe, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es mit dem verschwundenen Alfie weitergeht. Die Wendungen waren für mich nicht vorhersehbar, und die Spannung hielt bis zum Schluss an. Trotzdem bleibt Sarah Harman auf einem erzählerischen Level, das auch für Leser:innen, die sonst keine Thriller lesen, angenehm und gut auszuhalten ist.
Neben der Mutterrolle behandelt der Roman Themen wie Klassenunterschiede, Außenseitertum, Leistungsdruck in der Schule und den Konkurrenzkampf unter Müttern. Florence ist keine Idealfigur, sondern eine echte, mit Fehlern und Problemen. Diese werden zwar überspitzt dargestellt, doch gerade das macht den besonderen Reiz von “All the other mothers hate me” aus.
Mein Fazit:
“All the other mothers hate me” ist ein unterhaltsamer, scharfzüngiger und zugleich spannender Roman über das Muttersein jenseits perfekter Fassaden. Sarah Harman zeichnet mit Florence Grimes eine Hauptfigur, die gerade durch ihre Ecken und Kanten sympathisch ist. Sarah Harman verbindet Witz, Gesellschaftskritik und Spannung zu einer Geschichte, die sowohl amüsant als auch mitreißend ist. Wer Geschichten über unkonventionelle Frauenfiguren liebt und Freude an bissigem Humor mit einer großen Prise Krimi hat, wird hier bestens unterhalten.