|Rezension| Boy meets Girl – Julia Holbe

von | Jun 5, 2022 | 0 Kommentare

Ein Roman über die Bedeutung von kleinen Momenten

Verlag: Penguin
Gebundene Ausgabe: 20,00 Euro
Ebook: 14,99 Euro
Erscheinungsdatum: 21.03.2022
Seiten: 288

“Das mit uns war das Gegenteil von allem Normalen, von allem, was ich bisher gemacht hatte, erlebt hatte, von allem, was ich sonst so machte, allem, was sonst so passiert war, allem Vorhersehbaren, allem Mittelmäßigen, einfach von allem.“ (S.235)

Inhalt

»Boy meets Girl« – mit diesem Satz kann alles anfangen, jede mögliche Geschichte nimmt von hier aus ihren Lauf. Auch für Nora verändert eine kurze Begegnung ihr ganzes Leben.

Plötzlich steht sie vor der Erkenntnis, dass sie schon viel zu lange nur eine Besucherin in ihrem eigenen Leben war. Der Schmerz über das Scheitern ihrer Ehe und die wachsende Hilflosigkeit ihres alternden Vaters setzen in ihr endlich den Wunsch zur Veränderung frei. Als sie Gregory trifft, spürt sie, dass das Leben noch etwas anderes bereithält – und doch fehlt ihr etwas, das sie nicht greifen kann. Dann begegnet sie Yann wieder, einem Freund aus alten Tagen, den sie fast verloren glaubte.

Julia Holbe erzählt von den kleinen Momenten, die ein ganzes Leben verändern, und fängt dabei diesen magischen Augenblick ein, in dem sich Zweifel und Ängste in Hoffnung verwandeln, und etwas Neues beginnt. »Boy meets Girl« ist ein Roman wie ein französischer Film: leichtfüßig, tiefgründig und nachklingend.

Mein Eindruck

“Boy meets Girl” – so beginnen wohl die meisten Liebesgeschichten. In Julia Holbes neuem Roman.ist die Ausgangslage eine etwas andere, denn die Geschichte beginnt mit dem “Schlüpfer-Gate”. Die Protagonistin Nora findet beim Wäscheaufhängen einen hässlichen, schwarzen Schlüpfer, der definitiv nicht ihr gehört. Nachdem sie jahrelang die Augen vor den Affären ihres Mannes verschlossen hat, ist das “”Schlüpfer-Gate”  nun der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Nora wird bewusst, dass sie gar nicht mehr weiß, wer sie eigentlich ist und was sie möchte. Sie beginnt, Dinge auszuprobieren und zu verändern – auch in Liebesdingen. 

Boy meets Girl – damit fängt es an, aber wie geht es weiter? Julia Holbe erzählt in ihrem Roman mit leisen Tönen von verpassten Chancen, (vermeintlich) falschen Entscheidungen und davon, wie schwer es ist, an einem bestimmten Punkt des Weges, den man die ganze Zeit gegangen ist, eine andere Richtung einzuschlagen. Da Julia Holbe die Geschichte aus Noras Perspektive schreibt, ist man sehr nah dran an ihren Empfindungen und Gedanken. Vor allem ihre Ängste und Zweifel werden durch die Dialoge mit ihrer Freundin Lou so realistisch zum Ausdruck gebracht, dass sich sicher viele Frauen am Wendepunkt ihres (Liebes-)Lebens darin wiederfinden. Getreu dem Motto “Der Schuster hat die schlechtesten Schuhe.” ist Nora als Paartherapeutin wesentlich erfolgreicher darin, andere Paare zu beraten als diese Ratschläge auf ihre eigenen Beziehungen anzuwenden, was dem Ganzen eine leicht ironische Note verleiht, die mir gut gefällt.

Der Roman kommt ohne große Dramen aus. Es sind die ruhigen Töne, in denen über Beziehungen und das Treffen von Entscheidungen sinniert wird, die ihn lesenswert machen. Gibt es die eine große Liebe? Gibt es Freundschaften zwischen Frauen und Männern? Gibt es eine zweite Chance für die Liebe? Wie sieht die perfekte Beziehung aus? Und wie die perfekte Trennung? All diese Fragen stellt sich die Protagonistin. Ich habe Nora gern bei der Suche nach Antworten begleitet und dabei ganz viele Textstellen markiert, in denen Julia Holbe mit wenigen Worten Gefühle ausdrückt, für die es eigentlich keine Worte gibt. Es sind die kleinen Momente, von denen diese Geschichte lebt. Und sind es nicht auch die kleinen Momente, von denen eine Beziehung lebt?

Mein Fazit:

“Boy meets Girl” – mit dieser Begegnung fängt Vieles an. Aber wie geht es weiter? Julia Holbes Roman erinnert uns daran, dass wir selbst in der Hand haben wir unsere Beziehungen gestalten und dass es sich manchmal lohnen kann, auf einem vermeintlich festgelegten Weg eine andere Richtung einzuschlagen.

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