|Rezension| Die Ehefrau – Meg Wolitzer

von | Aug 1, 2020 | 0 Kommentare

Viel mehr als ein Eheroman

Verlag: Dumont
Übersetzung: Stephan Kleiner
Originaltitel: The Wife
Taschenbuch: 11,00 Euro
Ebook: 8,99 Euro
Erscheinungsdatum: 23.01.2019
Seiten: 270

„Aber ich war schon immer die Art Leserin gewesen, die ihre Bücher mit Anmerkungen versah und sie wahllos verlieh; ich wusste, dass ich sie niemals wiedersehen würde, wollte aber, dass meine Freunde sie lasen und ebenso hingerissen waren wie ich.“ (S.41)

Inhalt

Joan Castleman hat ihrem Mann alles geopfert – sogar ihr Talent. Sie führt ein Leben in zweiter Reihe, ein Leben als Mutter und Muse. Sie ist die Frau des berühmten Schriftstellers Joe Castleman. Einst war er ihr Dozent für Kreatives Schreiben und sie seine begabteste Studentin. Ihm zuliebe hat sie ihre Karriere aufgegeben. Nun, Jahre später, steht Joe vor der Krönung der seinen: Ihm soll der renommierte Helsinki-Preis verliehen werden. Für Joan ist das der Anlass, während des langen Fluges zur Preisverleihung ihre Ehe zu rekapitulieren. Sie nimmt den Leser mit an den Anfang der Beziehung ins Amerika der Fünfzigerjahre – und führt ihn in die literarischen Zirkel der Achtzigerjahre. Vor allem aber hinterfragt sie ihre Rolle als Ehefrau, in der sie Joe hassen gelernt hat – nicht nur seiner zahlreichen Seitensprünge wegen. Die eigentliche Demütigung ist ganz anderer Natur …
Mit hintergründigem Witz entwickelt Meg Wolitzer die Psychologie einer zerrütteten Ehe mit einem meisterhaften Gespür für die Abgründe, die in ganz alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen liegen.

Mein Eindruck

Ich habe einen Faible für Romane über Beziehungen sowie einen Faible für Romane mit einem Setting in der Literaturszene. Der Klappentext von Meg Wolitzers „Die Ehefrau“ versprach eine Verbindung meiner liebsten Interessenkreise und war deshalb seit Erscheinen auf meiner „must read“ Liste.

Die Rahmenhandlung des Romans ist schnell erzählt: Joan sitzt mit ihrem erfolgreichen Schriftsteller-Mann im Flugzeug, auf dem Weg zu einer Preisverleihung. Er ist am Ziel seiner beruflichen Träume. Sie hingegen nutzt die Flugzeit um ihre Vergangenheit und vor allem ihre Ehe zu rekapitulieren. Es ist eine ehrliche Abrechnung nach über 30 Jahren Ehe, in der sie nichts beschönigt. Mit sarkastischem Unterton erzählt Meg Wolitzer wie Joan Joe in den 50er Jahren kennenlernte, wie sie ihn anhimmelte und wie er sich dies zunutze machte. Joan erzählt dabei nicht nur davon, wie sehr sich ihre Gefühle für ihren Mann gewandelt haben, indem sie auf dessen Schwächen eingeht, sondern reflektiert ebenso ihre eigenen Schwächen. Eingerahmt wird diese Geschichte einer Ehe von einem scharfen Blick auf die New Yorker Literaturszene, der Missstände aufzeigt, die heute mit Sicherheit nicht weniger aktuell sind und lenkt den Fokus dabei immer wieder auf das Selbstverständnis von männlicher Dominanz im privaten wie beruflichen Bereich.

Beeindruckend ist wie Meg Wolitzer – ganz ohne ihre Hauptfigur wehleidig oder bedauernswert wirken zu lassen – das Porträt einer Frau zeichnet, die ihre Träume und ihr Talent, ihr ganzes Leben lang denen ihres Mannes untergeordnet hat. Wolitzer hat ein gutes Gespür dafür, menschliche Schwächen aufzudecken, ohne diese zu bewerten. Vielmehr verpackt sie diese in einen feinen Humor, so dass man als Leser trotz der bedauernswerten Situation der Protagonistin Spaß hat beim Lesen. Über einen derart bitteren Stoff so humorvoll zu schreiben, ist meines Erachtens hohe Kunst, die die Autorin meisterlich beherrscht. 

Das Ende des Romans hat mir besonders gut gefallen, da es für mich nicht vorhersehbar war, offen genug für eigene Gedanken ist und abgeschlossen genug, um nicht unbefriedigt das Buch zuzuklappen. Nichts ist schlimmer als eine gute Geschichte, die durch ihr unpassendes Ende einen faden Beigeschmack bekommt. 

Mein Fazit:

Wer Lust hat, einen starken, feministischen Roman über Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu lesen, sollte unbedingt zu “Die Ehefrau” greifen. Denn anders als es der Titel vermuten lässt, versteckt sich hinter ihm viel mehr als ein Eheroman. Genau wie auf dem Covermotiv sticht die Autorin die Nadeln dort hinein, wo es weh tut, seziert die Welt der Schriftsteller*innen, das Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen sowie die zwischenmenschlichen Abgründe zwischen beiden Geschlechtern. “Die Ehefrau” ist aufrüttelnd, unterhaltsam und intelligent. Danke, Meg Wolitzer!

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