|Rezension| Die Herrlichkeit des Lebens – Michael Kumpfmüller
Kein herrlich schöner Roman, aber ein lesenswerter…
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„Mein ganzes derzeitiges Leben ist nicht wahr, es findet nur irgendwie statt, während das Leben mit dir nicht stattfindet, aber ohne Zweifel wahr ist.” (S. 51)
Worum geht´s?
Wer war Franz Kafka? Dank Michael Kumpfmüller können wir uns den weltberühmten Schriftsteller als glücklichen Menschen vorstellen, der am Ende seines Lebens die große Liebe findet. Ein kluger, einfühlsamer Roman über Liebe und Erfüllung und den Wert jedes einzelnen, aufmerksam gelebten Tages.
Cover und Titel
Mein Eindruck
Ausgerechnet jetzt – mitten im Buchmesse-Monat und damit inmitten der Flut an unzähligen spannenden Neuerscheinungen habe ich einen Backlist-Titel gelesen, der nicht nur schon vor einigen Jahren erschienen ist, sondern sich außerdem mit dem Leben eines längst verstorbenen Mannes, nämlich Franz Kafka, beschäftigt. Da “Die Herrlichkeit des Lebens” ein Geschenk war, konnte und wollte ich es nicht im Bücherregal verstauben lassen und bin letztlich sehr froh über die Entschleunigung, die dieses Buch mit sich brachte.
Auch wenn mir der Einstieg aufgrund der eigenwilligen Sprache nicht leicht fiel, war es letztlich die Geschichte selbst, die mich schnell fesselte. Kumpfmüller passt die Sprache des Romans der erzählten Zeit (1920er Jahre) an, wodurch sie nicht nur altertümlich sondern auch sehr nüchtern wirkt. Kurze Hauptsätze wechseln sich mit längeren Schachtelsätzen ab und vor allem zu Beginn und am Ende findet sich die ein oder andere schöne Formulierung, die im Kopf bleibt. Überhaupt beginnt die Geschichte um Kafka, der in einem als Erholungsurlaub angedachten Aufenthalt an der Ostsee auf die wesentlich jüngere Dora trifft, recht spannend, plätschert dann in der Mitte ein wenig vor sich hin und nimmt im letzten Drittel wieder wesentlich an Fahrt auf.
Der Leser lernt in “die Herrlichkeit des Lebens” einen verletzlichen, gefühlvollen Franz Kafka kennen, was für mich, die von dem berühmten Autor nur seine bekanntesten Werke (Die Verwandlung, etc.) gelesen hat, eine spannende Erfahrung war. Seine zärtliche Zuneigung für Dora ist von Anfang an spürbar, ebenso wie seine Ängste bezüglich ihrer Liebe und seiner Krankheit (Kafka litt an Tuberkulose). Obwohl die Liebe zwischen Franz und Dora als sehr intensiv beschrieben wird, ist die Geschichte frei von Kitsch und Sentimentalitäten. Gleiches gilt für Kumpfmüllers Umgang mit Kafkas Krankheitsgeschichte und dem daraus resultierenden Tod: Sowohl die Herrlichkeit der Verbindung zweier Liebender als auch die Grausamkeit des nahenden Todes werden mit einer beeindruckenden Objektivität geschildert, die sicher nicht jedermanns Geschmack ist (auch ich habe generell nichts gegen mehr Emotionen einzuwenden), aber definitiv vom schriftstellerischen Können des Autors zeugt und den Roman von einer herkömmlichen Liebesgeschichte unterscheidet.
Man fragt sich unweigerlich wie viel Wahrheit in dem Roman steckt, schließlich hat Kafka laut Nachwort die Briefkorrespondenz mit Dora vernichtet bzw. vernichten lassen. Genau hier liegt auch der Reiz des Buches: Es ist die Verbindung einer tragisch schönen Liebesgeschichte mit einem Sachbuch – nämlich der Biografie eines sehr bedeutenden deutschen Schriftstellers. Nichts ist reines Faktenwissen und nichts ist reine Fiktion – genau das macht den Reiz von “Die Herrlichkeit des Lebens” aus. In mir weckte der Roman außerdem den Wunsch mehr über das kurze Leben von Franz Kafka zu erfahren, weshalb ich mir nun eine der vielen Biografien über ihn bestellt habe.
Mein Fazit:
MIchael Kumpfmüller liefert mit “Die Herrlichkeit des Lebens” einen Roman ab, der so widersprüchlich ist wie das Cover zum Inhalt: Durch seinen auffällig distanzierten Erzählstil hebt sich die geschilderte Liebesgeschichte, bei der kein geringerer als Franz Kafka der Protagonist ist, von den üblichen emotionalen Liebesromanen ab. Zugleich gelingt es dem Autor meisterlich, die Intensivität von Kafkas Beziehung zu Dora Diamant auch ohne Liebesschwüre und erotische Szenen zu vermitteln, was sein schriftstellerisches Können einmal mehr unter Beweis stellt. Dass Kumpfmüller die Krankheitsgeschichte Kafkas ebenso distanziert und ohne Mitleid einfließen lässt, macht den Roman zusätzlich lesenswert. Damit ist “Die Herrlichkeit des Lebens” zwar keine herrlich schöne, aber eine originelle und kluge Lektüre – nicht nur für Kafka-Fans.