|Rezension| Dinosaurier-Therapie – James Stewart
Tröstliche Comics für melancholische Zeitgenossen
„Ich glaube, mein Problem ist, dass ich die Dinge nicht verändern kann…aber gleichzeitig auch nicht so akzeptieren kann, wie sie sind..“ (S.52)
Inhalt
Inmitten einer gewissen Pandemie wurde ein Comic-Account über depressive Dinosaurier plötzlich zum absoluten Internet-Hit: Hochkomisch und entwaffnend ehrlich verarbeitet James Stewart in den Comics seine psychischen Probleme und trifft damit den Nerv einer Zeit, in der viele Menschen haltlos durchs Leben taumeln. Nie wurde die Absurdität unseres modernen Daseins so treffsicher zerlegt wie von seinen kleinen traurigen Dinos. Sie hadern mit sich, mit ihrem Leben, mit ihrem Platz in der Welt und suchen Trost bei ihren Freunden – eben ganz genauso wie wir Menschen.
Mein Eindruck
Wer diese Rezension liest, ist entweder ein Fan meiner Rezensionen (unwahrscheinlich) oder – wie ich – ein Fan der Dino Comics des dazugehörigen Instagram-Kanals “dinosandcomics”. Während der Corona-Pandemie tauchte dieser Account plötzlich in meiner Instagram Timeline auf. Täglich postet James Stewart ein oder zwei vierteilige Comics mit einer Unterhaltung zwischen zwei Dinosauriern. Mittlerweile hat er der Account drei Millionen Follower. Was macht diese Comics so besonders? Die Gespräche zwischen den Dinosauriern treffen den Nerv der Zeit. Sie behandeln psychische Probleme. In der Beschreibung des Buches heißt es salopp, es ginge um “depressive Dinosaurier”. Das trifft es allerdings nicht ganz, wie ich finde. Besser passt der Satz auf dem Buchrücken: “Ein Comic über Dinosaurier, die gemeinsam die Kompliziertheit des Lebens meistern”, denn genau darum geht es: um herausfordernde Situationen, um Selbstzweifel, Ängste und melancholische Gedanken. Dass James Stewart für seine knappen Unterhaltungen keine Menschen, sondern zwei süße Dinosaurier gewählt hat, macht den Reiz der Comics aus.
Im Übrigen sind es nicht immer die gleichen Dinos, die gemeinsam entdecken, wie es ist, in der modernen Welt zu existieren. Mal sind es T-Rex und Stegosaurus, mal zwei Stegosaurus (Was ist die Mehrzahl von Stegosaurus?), mal Brachiosaurus und T-Rex… Die Protagonisten wechseln, aber die Themen bleiben die gleichen: Wie lebt man gut in dieser Welt? Was hilft, wenn es einem schlecht geht? Wo ist mein Platz in der Gesellschaft Was bedeutet Freundschaft? All diese großen Fragen werden in knappen Dialogen auf eine sehr charmante und warmherzige Art in den Fokus gerückt.
Im Eichborn Verlag ist nun ein Büchlein erschienen, in dem ausgewählte Comics des Instagram-Accounts ins Deutsche übersetzt wurden – von keiner Geringeren als Zoë Beck. Deshalb muss man zur Qualität der Übersetzung eigentlich gar nichts sagen. Der selbstironische Ton des Originals wurde beibehalten – ich konnte keine eklatanten Unterschiede zu den Original-Comics feststellen. Unterteilt sind die Comics übrigens in sieben Kategorien: Erwachsenwerden; Depression; Glücklichsein; Beziehungen; Stress, Grübeln, Angst; Arbeit; Erfolg und Scheitern. Meine Lieblingskategorie ist ganz klar “Glücklichsein” mit Therapie-Gesprächen wie diesem: “Ich bin glücklich.” – “Das ist gut.” – “Ja, das ist gut.” – “Aber auch verdächtig.”, was stark meiner persönlichen Überzeugung, dass zu viel Glück verdächtig ist, entspricht. In diesen Comics fühle ich mich Zuhause.
Mein Fazit:
Wer den Account kennt und mag, sollte dieses Buch kaufen. Es eignet sich übrigens auch ausgezeichnet als Weihnachtsgeschenk für Dino-Lover und/oder melancholische Zeitgenossen.