|Rezension| Endling – Jasmin Schreiber

von | Apr 1, 2024 | 0 Kommentare

Feministisch, biologisch, dystopisch

Verlag: Eichborn
Gebundene Ausgabe: 23,00 Euro
Ebook: 22,99 Euro
Erscheinungsdatum: 24.11.2023
Seiten: 336

„Hanna war trotz allem so wild, wie es kleine Mädchen eben immer sind, bevor man anfängt, sie wie Origamipapier zu falten und zu verbasteln, bis sie sich in stille und hübsch anzusehende Schwäne verwandeln.“ (S.33)

Inhalt

Artensterben. Abtreibungs- und Verhütungsverbote. Repressalien. Die Welt, in der sich die Frauen dieses Romans zurechtfinden müssen, ist eine andere im Jahr 2041. Zoe ist Biologin und forscht fern der Heimat an Käfern. Als ihre Mutter in Reha muss, kehrt sie nach Hause zurück, um sich um ihre Teenager-Schwester Hanna und ihre schrullige Tante Auguste zu kümmern, die seit Jahren das Haus nicht mehr verlässt. Doch dann verschwindet Augustes Freundin Sophie, und während sich die Ereignisse überschlagen, lauert in Schweden ein dunkler Wald auf sie.

Mein Eindruck

Vor etwa einem Jahr habe ich “Marianengraben” von Jasmin Schreiber gelesen und sehr geliebt. “Endling” ist ihr neuester Roman. Es gibt ein paar Parallelen zu “Marianengraben”: in beiden Büchern gibt es eine weibliche Protagonistin aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird und einen Roadtrip, auf den sie sich in Begleitung begibt.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Büchern ist die Zeit, in der sie spielen. Denn in “Endling” befinden wir uns im Jahr 2041. Ich kann nur hoffen, dass Jasmin Schreibers Bild von der Zukunft keine selbsterfüllende Prophezeiung wird: radikale Parteien sind in Europa an der Macht, Abtreibungen sind verboten, Frauenrechtlerinnen werden verfolgt, das Klima hat sich verändert, viele Tierarten sind vom Aussterben bedroht usw. – eine gruselige Vorstellung. Und noch gruseliger ist, dass diese Dystopie durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Aber zurück zum “Endling”.

Zoe, eine Biologin, forscht über (aussterbende) Insektenarten. Als ihre Mutter zur Reha muss, kehrt Zoe zurück in die Heimat, um sich um ihre kleine Schwester Hanna und ihre wie ein Einsiedler lebende Tante Auguste – ebenfalls Biologin – zu kümmern. Als Augustes Freundin Sophie verschwindet, machen sich die drei Frauen auf den Weg, um Sophie zu finden. Der Roadtrip hat stellenweise sehr komische Züge, was mich sehr an “Marianengraben” erinnerte. Zum Ende hin ging es mir dann zu sehr in eine übernatürliche, nicht greifbare Richtung, wodurch die Glaubwürdigkeit zu sehr gelitten hat.  

Auch wenn ich bei diesem Roman wieder sehr begeistert vom Schreibstil der Autorin war (siehe Zitat oben), hat mich “Endling” nicht so begeistern können wie “Marianengraben”. Der Fokus liegt bei diesem Buch weniger auf den zwischenmenschlichen Verbindungen als vielmehr auf den äußeren Gegebenheiten. Jasmin Schreiber, selbst Biologin, lässt hier viel biologisches Fachwissen einfließen und legt viel wert auf die Beschreibungen der Umwelt, um eine realistische Dystopie zu schaffen. Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, dass stets eine Mahnung mitschwingt a la “Leute, passt auf, verdammt! Wenn ihr so weiter macht, landen wir genau da!” Dies geschieht zu Lasten der Charaktere. Ohne auf die Details eingehen zu wollen, um nicht zu spoilern, hat mich vor allem der lapidare Umgang mit den Problemen von Zoes Mutter sehr getriggert. Hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht, genauso wie beim Charakter der Tante Auguste, der mir manchmal zu sehr in liebevoll schrullige abdriftete. Die Beziehung der Schwestern zueinander war hingegen sehr schön herausgearbeitet und hat mich sehr berührt. 

Auch der Spannungsbogen in “Endling” muss betont werden. Es ist schon meisterlich wie Jasmin Schreiber immer wieder biologisches Fachwissen einfließen lässt, das von der eigentlichen Handlung ablenken könnte, aber dies eben nicht geschieht, weil der Spannungsbogen stets aufrecht erhalten wird und selbst solche Exkurse dem Lesefluss keinen Abbruch tun. Das Verschwinden der Tante wird erst am Ende aufgeklärt und verleiht der Geschichte eine krimihafte Spannung. 

Mein Fazit:

Mit “Endling” hat Jasmin Schreiber einen dystopischen Roman geschrieben, der zum einen vom biologischen Fachwissen, das die Autorin selbst mitbringt, profitiert, zum anderen von ihrem Talent, zwischenmenschliche Beziehungen sehr einfühlsam und authentisch zu beschreiben. Letzteres kam für meinen Geschmack dieses Mal zu kurz, aber dennoch hat mich dieses Buch gut unterhalten. Beim Lesen durchläuft man verschiedenste Gefühlslagen: von amüsiert über schockiert bis hin zu traurig und wütend sein ist alles dabei. Und das ist es doch, was gute Literatur ausmacht, oder? 

 
Vielen Dank an den Eichborn Verlag für das Rezensionsexemplar.
 
 
Weitere Rezensionen zum Buch:
Share This