|Rezension| Dirk von Petersdorff – Wie bin ich denn hierhergekommen

von | Aug 13, 2018 | 0 Kommentare

Und es passiert…nichts

Verlag: C.H. Beck
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 17,99 Euro
Erscheinungsdatum: 20.07.2018
Seiten: 218

„Um vier Uhr morgens erwachte Tim. Das war seine Zeit, neuerdings, seit er ein richtiger Mann mit Sorgen geworden war. Einschlafen konnte er fast immer, aber dann um vier, zwischen Nacht und Tag, in der hohlen Stunde, die allen Fragen Platz anbietet: nur herein, so viel schwarzer Raum für die höchstpersönlichen Szenen des Scheiterns, denen man entgehen will, in den Schlaf, aber man kommt nicht weg, wird nur wacher.“ (S.53)

Worum geht´s?

«Anna lag genau in dem Streifen, den der Vollmond ins Zimmer warf.» So beginnt dieser Roman, in dem Dirk von Petersdorff von vier Menschen Ende dreißig erzählt, die miteinander verbunden und voneinander angezogen sind, aber den Weg ins Leben nicht im gleichen Takt gefunden haben.
Tim und Anna sind verheiratet, haben einen kleinen Sohn, Tims bester Freund Johannes führt immer noch eine Art Studentenleben und ist gerade Single, hatte aber mal eine Liebesnacht mit Anna und scheint weiterhin eine für Tim nicht ganz berechenbare Verlockung für Anna darzustellen. Anna sehnt sich nach ihrer früheren Ungebundenheit und ihren Abenteuern, Johannes dagegen beneidet die beiden. Tim allerdings hat seinen momentanen Erfolg in der Firma nicht ganz seriös zustande gebracht und alles kann wieder kippen… Und dann ist da noch Doris, Annas beste Freundin, die es mit den Männern nicht hinkriegt. Am Ende aber vielleicht doch.
Ironisch-schwebend, spannend und in dichten, poetischen Szenen erzählt Dirk von Petersdorff von der stets brüchigen Balance im Leben seiner Figuren, die das Gefühl der Unsicherheit nicht loswerden. 
  

Mein Eindruck

Es gab für mich viele gute Gründe, diesen Roman zu lesen: Das für einen männlichen Autor und den Beck Verlag untypische pinkfarbene Covermotiv ist einer davon und dass es sich beim Autor Dirk von Petersdorff um einen Germanistik-Professor, der in Jena lehrt (wo ich Germanistik studiert habe) ein anderer. Auch der Klappentext hat mich aufgrund des hohen Identifikationspotenzials (Mittdreißiger Paar mit Kind auf der einen Seite, der gleichaltrige beste Freund, der immer noch ein Studentenleben führt auf der anderen Seite) gleich angesprochen. Zu guter Letzt war es auch die Tatsache, dass dieser Roman im Beck Verlag erschienen ist, der bekannt für anspruchsvollen Lesestoff ist, die mich davon überzeugt hat, “Wie bin ich denn hierhergekommen” zu lesen. Lediglich das fehlende Fragezeichen im Titel hat mich etwas irritiert.

Der erste Eindruck beim Lesen war durchaus positiv. Man merkt ziemlich schnell, dass von Petersdorff eigentlich Lyriker ist. Seine Prosa ist anspruchsvoll und stellenweise sehr poetisch. Er überzeugte mich durch originelle Formulierungen von alltäglichen Dingen. Das hat mir gut gefallen. Weniger gut fand ich die Darstellung von betonten Aussagen in Großbuchstaben. Das störte meinen Lesefluss, weil es so immens aufdringlich ist.

Als Leser wird man in das Leben von vier Menschen, alle Mitte 30, geworfen. Jeder hat seine eigenen Probleme, die symptomatisch für Menschen dieses Alters sind: Der eine ist ewiger Single, springt von einem Gelegenheitsjob zum anderen und sehnt sich insgeheim nach Beständigkeit. Die anderen sind verheiratet, haben ein Kind und sehnen sich nach Abenteuern (sie) bzw. weniger Verantwortung (er). Die Letzte im Bunde ist eine gnadenlose Optimistin, obwohl sie in verschiedenen Bereichen des Lebens immer wieder gescheitert ist.

Mein großes Problem mit dieser Geschichte ist, dass sie sich stellenweise wie die Aneinanderreihung von belanglosen Episoden liest, die dem Autor im Laufe seines Lebens in den Sinn gekommen sind. Es gibt zwar einen roten Faden, nämlich die aktuelle Situation der vier Personen, aber keine richtige Handlung, da im Grunde absolut nichts passiert. Man begleitet die vier Personen ein Stück weit durch ihre Gedanken und wird schließlich am Ende wieder unvermittelt hinausgeworfen. Damit könnte ich sogar noch leben, wenn ich wenigstens aus diesen Gedanken irgendein Fazit ziehen könnte. Konnte ich aber leider nicht. Von Petersdorffs Roman lebt von unzähligen Ausschweifungen, die absolut nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben. Die vier Hauptpersonen bleiben bis zuletzt schemenhaft, ihre Beweggründe vage. Wären da nicht die vielen schönen Formulierungen des Autors gewesen, hätte ich “Wie bin ich denn hierhergekommen” vermutlich nicht zu Ende gelesen.

Mein Fazit:

“Wie bin ich denn hierhergekommen” ist ein typischer Fall von “Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht”. Bis zuletzt wurde ich das Gefühl nicht los, dass Dirk von Petersdorff in seinem Roman zu viel wollte. Durch viele (meiner Meinung nach belanglose) Ausschweifungen wird ohnehin schon recht kurze Roman künstlich aufgebläht. Dadurch kommt man als Leser zu sehr vom eigentlichen und viel interessanteren Pfad ab. Die Figuren bleiben bis zuletzt ein Rätsel und viele Erkenntnisse konnte ich aus dieser Lektüre nicht gewinnen, außer dass ich mir mal lieber Petersdorffs Lyrik anschaue als seine Prosa. Schade!

Vielen Dank an C.H. Beck für dieses Rezensionsexemplar.
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