|Rezension| Mehr Schwarz als Lila – Lena Gorelik

von | Aug 3, 2017 | 0 Kommentare

Für mich das bisher beste Jugendbuch des Jahres

Gebundene Ausgabe: 19,95 Euro
Ebook: 16,99 Euro
Erscheinungsdatum: 17.02.2017
Seiten: 256

„In dem blauen Notizbuch sammle ich Oxymera, das heißt, ich sammle Widersprüche, und ich glaube, später will ich selbst ein Widerspruch sein. Jemand, der in keine Schublade passt. Bislang bin ich an dem Vorhaben gescheitert.“

Worum geht´s?

Mit siebzehn ist das Leben kompliziert. Alex trägt lieber Schwarz als Lila, ihr Vater schweigt die meiste Zeit, und ein Papagei soll ihr die Mutter ersetzen. Die besondere Freundschaft mit Paul und Ratte ist das, was Alex an ihrem Leben liebt. Die gefühlte Eintönigkeit lassen die drei in Mutspielen hinter sich, bei denen es keine Grenzen gibt. Und dann taucht Johnny Spitzing auf, der junge Referendar, den sogar Alex gut findet. Auf der Klassenfahrt nach Polen jedoch macht Johnny ihr klar, dass sie nur seine Schülerin ist; Ratte, die sich verliebt hat, entfernt sich; und ihr bleibt nur noch Paul, den Alex, von tausend Gefühlen überrannt, küsst – am unpassendsten Ort der Welt, in Auschwitz. Jemand fotografiert, das Bild geistert durchs Netz, und plötzlich reden alle über Alex und die Jugend von heute, der Papagei entfliegt, Paul verschwindet, und Alex erkennt: «Das ist jetzt mein Film, und das Leben muss ich ganz alleine steuern.»
Lena Gorelik erzählt von einer überforderten Siebzehnjährigen, die der Welt mit Witz und einer Spur notwendigem Stolz gegenübertritt. Wie nebenher wirft sie Fragen auf – wie kann man Erinnerung vermitteln, wie frei kann man sein? Vor allem aber geht es ums Erwachsenwerden und um die Bilder, die wir von uns selbst und anderen haben. Ein packender, jugendlich glühender Roman für jüngere wie für erwachsene Leser.

Cover und Titel

Obwohl ich den “Mehr Schwarz als Lila” als Titel interessant finde, weil er so schön kryptisch ist ohne zu poetisch zu sein, wäre ich auf diesen Roman vermutlich nicht aufmerksam geworden, wenn er nicht aus der Feder Lena Goreliks stammen würde, von deren bisher erschienenen Büchern ich bisher nur Gutes gehört habe. Schuld daran ist das (vermeintlich) florale Covermotiv, bei dem ich erst nach der Lektüre feststellte, dass es sich wohl gar nicht um Blätter einer Pflanze handelt wie ich vermutete, sondern um die Federn eines Papageis. Mich hat dieses Motiv jedenfalls nicht angesprochen, der Titel jedoch umso mehr.

 

Mein Eindruck

Über Lena Goreliks Bücher habe ich bisher nur Gutes gehört, mit entsprechend hohen Erwartungen bin ich an “Mehr Schwarz als Lila” herangegangen. Was zuerst auffällt, ist ihre sehr besondere Art zu schreiben. Ob sich dieser Stil durch alle ihre Bücher zieht, kann ich nicht nachvollziehen, mich hat sie mir ihrer reduzierten Sprache in diesem Roman aber definitiv für sich gewonnen. Ihre Schilderungen sind durch kurze, prägnante Sätze geprägt, bei denen kein Wort zu viel ist und die trotzdem voller Tiefe sind. Interessant ist auch, dass die Erzählerin ein “du” anspricht, bei dem zunächst nicht klar ist, um wen es sich handelt. Diese Erzählperspektive ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch eine angenehme Abwechslung zur üblichen Erzählweise in der 1. oder 3. Person ohne konkreten Adressaten.

Man braucht anfangs etwas Geduld bis die Geschichte wirklich an Fahrt aufnimmt. Obwohl die Geschichte quasi mit dem Ende beginnt, welches man allerdings noch nicht verstehen bzw. einordnen kann und was per se ja eigentlich eine Grundspannung erzeugen sollte, bei mir aber vorwiegend Verwirrung stiftete, war es zu Beginn vor allem Lena Goreliks Art zu Schreiben, die mich das Buch weiterlesen hat als der Plot an sich. Aber je mehr ich über die Charaktere des Romans erfuhr, deren Verwicklungen und Geschichte, umso stärker wurde ich in die Geschichte hineingezogen und spätestens ab der Hälfte konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand nehmen.

Was dieses vergleichsweise dünne Büchlein ausmacht, sind seine stark differenzierten Charaktere, die nichts zu tun haben mit den sonstigen Jugendbuch-Klischees und trotzdem handelt es sich bei Alex, Ratte und Paul um keine besonders außergewöhnlichen Teenager, sondern vielmehr um sehr starke und vielschichtige Persönlichkeiten mit sehr individuellen Problemen und Ängsten, die die Aufmerksamkeit des Lesers immens fordern. Im Wesentlichen geht es bei allen Dreien um die erste Liebe, wie sie Freundschaften beeinflussen kann und wie schwierig der Weg ist, Prioritäten zu erkennen und richtig zu setzen. Spannend fand ich besonders die Thematik der Grenzüberschreitung, die bei der Protagonistin Alex eine entscheidende Rolle spielt. Lena Gorilek wirft hier einige moralisch interessante und diskussionswürdige Fragen auf, die auch nach der Lektüre noch lange nachwirken.

Mein Fazit:

Lena Goreliks “Mehr Schwarz als Lila” ist für mich dank seiner ausdifferenzierten Charaktere, der präzisen Sprache und des vielschichtigen Plots eines der besten Bücher des Jahres und definitiv mehr als ein Jugendbuch. Auch als erwachsener Leser wird man hier auf sehr hohem Niveau unterhalten. Ich werde diesen Roman definitiv ein weiteres Mal lesen um die brillanten Worte der Autorin noch mehr auszukosten. Ganz klare Leseempfehlung für alle, die ein kluges Buch über Freundschaft, Liebe und den Weg des Erwachsenwerdens lesen möchten.

 

Vielen Dank an den Rowohlt Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
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