|Rezension| Museum der Erinnerung – Anna Stothard
Originelle Geschichte eindrucksvoll erzählt
„Sie fand die Schönheit von Museen, genau wie die von Landkarten und die zwischenmenschlicher Beziehungen, lag ebenso sehr in der Distanz wie in der Nähe.“ (S.8)
Worum geht´s?
Cathy ist neun, als sie Jack kennenlernt. Sie verbringen einen unbeschwerten Sommer an der englischen Küste miteinander. Cathy ist einundzwanzig, als sie aus ihrem Zuhause und vor einem Mann flieht, der Rache mit Liebe verwechselt. Cathy ist fast dreißig, als dieser Mann sie findet und ihre sorgsam aufbewahrten Erinnerungen für immer zu zerstören droht.
Cover und Titel
Mein Eindruck
Als ich den Klappentext von “Museum der Erinnerung” las, war klar, dass ich diesen Roman lesen muss. Denn dieser klang wie eine spannende Mischung aus Beziehungsdrama und Thriller. Und da es sich hier auch noch um ein Buch aus dem Diogenes Verlag handelt, war von vornherein klar, dass hier Unterhaltung auf höchstem Niveau geboten wird.
Zu Beginn hatte ich ein paar Probleme mich in die Geschichte einzufinden. Mit dem Naturkundemuseum Berlins als Ort des Geschehens hat sich die amerikanische Autorin ausgerechnet einen deutschen Schauplatz ausgewählt. Da sollte man sich als deutscher Leser doch gleich wie Zuhause fühlen. Trotzdem war mir diese Museumswelt mit ihren Exponaten, die zu einem Großteil aus toten Tieren bestehen, sehr fremd. Was mir hingegen gar nicht fremd war, war Cathys Leidenschaft Dinge, mit denen sie etwas verbindet, zu sammeln. Diese Eigenheit der Protagonistin ist ein zentrales Element des Romans unnd deshalb auch titelgebend.
Anna Stothard strickt mittels eines detailreichen, ruhigen Erzählstils eine fesselnde und melancholische Geschichte um ihre Protagonistin, die ein sehr spannender und vielschichtiger Charakter ist. Rückblicke auf ihre Kindheit und Jugend ermöglichen dem Leser das zu Beginn irrational erscheinende Verhalten Cathys besser zu verstehen. Diese sind die ideale Ergänzung zum Plot in der Gegenwart, wo sich Cathy und Tom ein gemeinsames Leben in einem für sie fremden Land aufgebaut haben und Cathy plötzlich von ihrer Vergangenheit – in Person ihres Exfreundes – eingeholt wird. Tom ahnt indes nichts von der dunklen Vergangenheit seiner Freundin, die sie bisher vor ihm verborgen hat. Cathys Verschlossenheit stört ihn nicht, sondern reizt ihn vielmehr, weil sie sich dadurch von seinen offenherzigen Exfreundinnen unterscheidet.
Das Besondere an diesem Roman ist, dass er sich nicht nur an nur einem Handlungsort abspielt, sondern die erzählte Zeit auch nur einen Tag umfasst. Trotz dieser Begrenzung, die mir aufgrund der spannenden Handlung erst nach dem Lesen auffiel, gelingt der Autorin ein umfassendes Porträt einer Frau, deren Leben immer wieder durch die Vergangenheit fremdbestimmt wird und fast nebenbei liefert sie mit “Museum der Erinnerung” auch noch einen sehr atmosphärischen und authentischen Berlin-Roman.
Das Ende des Romans hat leider dafür gesorgt, dass ich hier keine volle Punktzahl vergeben kann, denn dieses hat mich etwas unbefriedigt zurückgelassen. Dafür, dass die Autorin so eine immense Spannung aufgebaut hat, ging dann am Ende alles erstaunlich schnell und ein wenig zu glatt über die Bühne. Hier hätte der Roman gern noch 50 Seiten länger sein können.
Mein Fazit:
“Museum der Erinnerung” ist ein atmosphärischer und spannender Roman über die Lasten der Vergangenheit, die sich trotz der Flucht auf einen anderen Kontinent nicht verdrängen lassen. Anna Stothards Schreibstil ist angenehm ruhig, klug und detailreich, ihre Charaktere, vor allem die Protagonistin, dadurch sehr glaubhaft und auch das Naturkundemuseum Berlins ein erstaunlich authentischer Schauplatz ihrer Geschichte. Damit ist “Museum der Erinnerung” ein typisches Diogenes-Buch: intelligent, unterhaltsam und originell.