|Rezension| Uns gehört die Nacht – Jardine Libaire
Love this shit!
„Vor Tagesanbruch liegt Jamey in diesem Dämmerzustand da, wenn das Herz zum Tier wird, das Hirn angreift, hineinscheißt, von hinten an den Augäpfeln kratzt, heult und schäumt.“ (S.294)
Worum geht´s?
Als Elise Perez an einem trostlosen Winternachmittag in New Haven den Yale-Studenten Jamey Hyde kennenlernt, ahnt keiner, dass hier und jetzt ihrer beider Schicksal besiegelt wird. Was als obsessive Affäre beginnt, wird zu einer alles verändernden Liebe. Doch Elise ist halb Puerto-Ricanerin, ohne Vater und Schulabschluss aufgewachsen, und Jamey der Erbe einer sagenhaft reichen Familie von Investmentbankern. Wie weit sind sie bereit zu gehen?
(Quelle: https://www.diogenes.ch/leser/titel/jardine-libaire/uns-gehoert-die-nacht-9783257300727.html)
Mein Eindruck
Wäre “Uns gehört die Nacht” kein Diogenes-Titel, hätte ich ihn in der Buchhandlung vermutlich aufgrund seines sehr kitschigen Titels, der auch gut zu einem Nicholas Sparks Roman passen würde (nicht, dass man mich falsch versteht: Ich mag Nicholas Sparks!), ignoriert. Ich habe aktuell einen Liebesroman-Overkill, weshalb ich mich weitestgehend von klassischen Liebesromanen fernhalte. Nun bin ich aber ein riesengroßes Diogenes-Fangirl, das außerdem auf schöne Cover abfährt – und wie schön ist denn bitte das Cover von “Uns gehört die Nacht”? Eine brünette Schönheit mit geheimnisvollen grünen Augen, die sich hinter einer Scheibe die Haare aus dem Gesicht streicht – ich liebe es!
Die Story, die hier erzählt wird, ist nicht neu: junge, in armen Verhältnissen aufgewachsene, hübsche Frau trifft auf jungen, gutaussehenden, sehr reichen Mann. Wie Jardine Libaire diese Geschichte erzählt, ist allerdings eine Offenbarung: Sehr gekonnt wechselt sie zwischen einer blumigen und bildlichen Sprache voller Poesie und rüden, teilweise schon vulgären Formulierungen. Letztere finden sich vor allem in den vielen erotischen Szenen. Mag sein, dass diese einigen Lesern übel aufstoßen – mir hat dieser Kontrast unheimlich gut gefallen, da allein durch die vielen brillanten Metaphern deutlich wird, welche herausragende Schriftstellerin Jardine Libaire ist und dass es sich bei diesem Roman nicht nur um eine triviale Liebesgeschichte mit viel Sex handelt.
Das Spannendste an “Uns gehört die Nacht” ist die Beziehung zwischen den Protagonisten Elise und Jamey. Das Buch beginnt mit einer eindrücklichen Szene: Elise sitzt mit einer Waffe vor Jamey und zielt auf ihn. In den nachfolgenden Kapiteln wird ihre gemeinsame Geschichte und wie es zu dieser Situation kommen konnte, aufgerollt. Von Anfang an ist klar, dass die beiden eine toxische Beziehung zueinander haben. Sie leben in zwei völlig verschiedenen Welten, jeder in seiner gefangen, haben keine Gemeinsamkeiten – außer Sex. So scheint es jedenfalls zunächst. Die Autorin widmet sich hier der Frage, ob zwei Menschen, die ein völlig anderes Verständnis von Liebe haben, trotzdem zusammenfinden können. Wie viel Obsession füreinander ist noch gesund? Welche Rolle spielt Sex dabei?
Da die Geschichte beide Protagonisten gleichermaßen in den Fokus rückt, kann man als Leser beiden Figuren auf ihrem Weg und bei ihrer Entwicklung folgen. Durch ihre unterschiedliche Herkunft ist das besonders spannend. Allerdings nicht durch den üblichen Standesdünkel, der hier zwar auch immer wieder zum Problem wird, sondern durch ihre konträre Art mit Gefühlen umzugehen. Beide schleppen jede Menge Altlasten mit sich herum, die dazu führen, dass sie sind wie sie sind. Ich will hier gar nicht ins Detail gehen, um nicht zu spoilern. Fakt ist aber, dass die Autorin diesen Aspekt ihrer Beziehung heraushebt und ich es sehr faszinierend finde, was feinfühlig und präzise hr das gelingt.
Mein Fazit:
“Uns gehört die Nacht” ist ganz und gar nicht die schnulzige Liebesgeschichte, die der Titel vermuten lässt. Jardine Libaire erzählt hier die Geschichte einer verhängnisvollen, obsessiven Liebe, die durch ihren spannenden Aufbau, die ausdifferenzierten Charaktere sowie eine Sprache, die zwischen blumig und rüde wechselt, auf ganzer Linie überzeugt hat. Bitte zukünftig mehr von dieser Autorin!