|Rezension| Katharina, Marie und ihre vier Männer – Tine Rating/ Hannah Wilhelm
Ein kluger Roman, dem viel zu wenig Beachtung geschenkt wird
„Freunde sind nicht dazu da, Probleme zu machen. Das ist wieder ein sehr kluger Satz von dir. Ein Satz, den sich viele Menschen im Kreuzstich auf kleine Stofflappen sticken und in einem Rahmen an ihre vergilbten Wände hängen sollten. So.” (S. 68)
Worum geht´s?
Katharina und Marie, beide Anfang 30, sind seit Ewigkeiten beste Freudinnen, wenn sie auch mittlerweile in entgegengesetzten Ecken des Landes wohnen. Also schreiben sie sich. Briefe, SMS und vor allem Mails, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Denn obwohl sie eigentlich glücklich verheiratet sind, bleibt der große Zweifel: War’s das jetzt schon? Ist das wirklich der Mann für den Rest des Lebens? Dann passiert allen beiden der Beziehungs-GAU: Sie verlieben sich fremd, Katharina in Karsten und Marie in Tom. Und in ihrem Leben bricht das Chaos aus: bleiben oder gehen? Die kleine, wohlvertraute Alltagsödnis – oder der große Sprung in einen ungewissenen Traum?
Cover und Titel
Ich wäre niemals auf dieses Buch aufmerksam geworden, wenn es mir nicht jemand förmlich unter die Nase gerieben hätte. Weder Cover noch Titel sprechen mich auf den ersten Blick an, wirkt der Roman doch wie ein typischer leichter Frauenroman, der momentan nicht zu meinen Lieblingsgenres gehört, weil ich das Gefühl habe, dass sich die Storys in diesem Genre immer und immer wiederholen.
Der Titel “Katharina, Marie und ihr vier Männer” klingt nach einer witzigen Romanze und das dazugehörige Cover mit den vier Blüten ist irgendwie nichtssagend. An dieser Stelle kann ich nur sagen: Don’t judge a book by its cover (and its title).
Mein Eindruck
Wie oben bereits erwähnt, wurde mir dieser Roman förmlich unter die Nase gerieben und wenn mich der Klappentext durch Affäre-Thematik nicht angesprochen hätte, hätte ich ihn wohl nicht gelesen.
Geschrieben ist der Roman in Briefform bzw. genauer gesagt in Emails und gelegentlich SMS. Seit Daniel Glattauers “Gut gegen Nordwind” bin ich ein großer Fan dieser Romanform. Dies war übrigens – neben dem Klappentext – das zweite Argument, was mich dazu brachte “Katharina, Marie & ihre viere Männer” zu lesen, obwohl Cover und Titel mir so gar nicht gefallen. Das Thema ist in beiden Romanen das Gleiche: Verheiratete/vergebene Frau verliebt sich in einen anderen Mann. Nur wird hier eine andere Perspektive eingenommen und dieser Aspekt einer Affäre ganz anders beleuchtet. Hier findet kein schriftlicher Austausch zwischen zwei Verliebten statt, sondern zwischen zwei Freundinnen, die das gleiche Problem haben (sie haben sich verliebt) und damit aber unterschiedlich umgehen.
Fakt ist: Wer mit dieser Thematik nichts anfangen kann bzw. grundsätzlich sehr hohe moralische Wertvorstellungen hat, sollte diesen Roman vermutlich eher nicht lesen. Mir hat gerade die Tatsache, dass die beiden Freundinnen sich nicht mit Vorwürfen und schlechtem Gewissen überhäufen, sehr gut gefallen. Beschönigt oder gut geheißen wird der Aspekt des Fremdgehens allerdings auch nicht. Vielmehr gelingt es Tine Rating und Hannah Wilhelm sich ernsthaft und sehr authentisch mit den Gefühlen von verheirateten Frauen, die sich nach etwas anderem sehnen, denen etwas in ihrer Beziehung fehlt, auseinanderzusetzen.
Mit viel Humor aber auch genügend Ernsthaftigkeit an den entscheidenen Stellen schildern sich die Freundinnen Katharina und Marie erst zaghaft und dann immer offener ihre Probleme mit ihren Ehemännern und tauschen sich gleichermaßen über den Reiz des Neuen/Verbotenen aus. Das Spannende an ihrem Austausch ist nicht nur die Offenbahrung ihrer Gefühle über diese neue Situation, sondern vor allem auch ihr unterschiedlicher Umgang mit jener. Dabei wird die Spannung vor allem durch das, was außerhalb der Email-Kommunikation passiert und man als Leser nicht unmittelbar erfährt, konstant hochgehalten. Überhaupt fliegt man durch den sehr angenehmen und durchaus unterschiedlichen Schreibstil der beiden Autorinnen förmlich durch die Seiten.
Durch die Briefform kann man als Leser viel besser in die Gedanken der Protagonisten eintauchen als bei einem klassischen Roman und genau hier liegt der Reiz dieses Buch. Das Thema Affäre wird viel intensiver beleuchtet, auch wenn die männlichen Parts der Affäre (Ehemänner und Affären) gar nicht zu Wort kommen.
Dies ist kein leichter Frauenroman im klassischen Sinne, weshalb ich Titel und Cover für so misslungen halte. Es ist ein Roman für eine vorwiegend weibliche Leserschaft, ja. Es ist ein Roman, der unterhalten will, ja. Aber er tut dies mit viel Tiefgang, ist viel ernsthafter und klüger als die herkömmlichen Frauenromane.
Mein Fazit:
Hätte dieser Roman einen anderen Titel und ein stimmigeres Cover wäre er auf den Bestsellerlisten zu finden. Davon bin ich überzeugt. Das Autorenduo Ratig und Wilhelm hat mich nicht nur mit ihrer fesselnden Art zu schreiben, sondern vor allem mit ihren ernsthaften und vielseitigen Auseinandersetzung mit dem Thema “Affäre” auf ganzer Linie überzeugt.