|Rezension| Die Liebe im Ernstfall – Daniela Krien

von | Feb. 27, 2019 | 0 Kommentare

Darf man im Februar schon vom Buch des Jahres 2019 sprechen?

Verlag: Diogenes
Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 18,99 Euro
Erscheinungsdatum: 27.02.2019
Seiten: 288

„In jener Nacht schliefen sie miteinander. Wenzel tat nichts, was Paula nicht schon kannte, und doch war etwas an diesem Lieben anders. Es war wie eine komplexe Musik – nach dem ersten Hören traten andere, feinere Klänge hervor, zeigte sich die Schönheit noch im leisesten Ton und selbst in den Pausen.“ (S.32)

Inhalt

Sie heißen Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde. Sie kennen sich, weil das Schicksal ihre Lebenslinien überkreuzte. Als Kinder und Jugendliche erlebten sie den Fall der Mauer, und wo vorher Grenzen und Beschränkungen waren, ist nun die Freiheit. Doch Freiheit, müssen sie erkennen, ist nur eine andere Form von Zwang: der Zwang zu wählen. Fünf Frauen, die das Leben aus dem Vollen schöpfen. Fünf Frauen, die das Leben beugt, aber keinesfalls bricht.

Mein Eindruck

Wenn meine Lieblings-Diogenes-Mitarbeiterin nicht so unglaublich von diesem Buch geschwärmt hätte, hätte ich es wohl nie gelesen, da der Klappentext eher nach seichtem Frauenroman klingt, der aber zugegebenermaßen der untypisch für den Diogenes Verlag wäre.

Daniela Krien zeigt mit ihrem Roman, dass man von außen nie beurteilen kann welche Last eine Person zu tragen hat, mit welchen Ängsten sie kämpft und welche Zweifel sie plagen. Meist erscheint einem das Leben eines anderen, das sich wesentlich vom eigenen unterscheidet, als erstrebenswert. Die verheiratete Frau mit Kindern beneidet die erfolgreiche Karriere-Single-Freundin, die jede Woche ein Date hat. Die Karriere-Frau sehnt sich stattdessen nach der Geborgenheit einer Familie. Die ungeliebte Tochter beneidet ihre Schwester um die Liebe der Eltern, diese wiederum kämpft um die Liebe ihrer Schwester. 

Auf sehr einfühlsame Weise schildert sie das Leben von fünf Frauen, die sehr unterschiedliche Charaktere haben und die doch eines verbindet: Sie sind in der ehemaligen DDR aufgewachsen, wurden in dieser sozialisiert, nutzen ihre neuen Freiheiten nach dem Fall der Mauer aber auf verschiedenen Wegen. Was mich dabei wirklich beeindruckt hat, sind die starken Frauenfiguren, die Daniela Krien hier auf gerade einmal 288 Seiten entwickelt hat. Obwohl jede von ihnen irgendwann in ihrem Leben an einen Punkt kommt, an dem die Lage aussichtslos erscheint, versuchen sie sich selbst treu zu bleiben, auch wenn das in allen Fällen bedeutet, den schmerzhafteren Weg zu gehen. Der rote Faden ist dabei – der Titel lässt es erahnen – immer die Liebe und ihre Facetten. Was bleibt von der Liebe übrig, wenn es ernst wird? Ist Liebe das Allheilmittel für alles? Kann man auch ohne Lieben ein erfülltes Leben führen?

Im Gegensatz zu vielen anderen Romanen, in denen das Schicksal mehrerer Personen im Fokus steht, wechselt Daniela Krien nicht zwischen den einzelnen Figuren hin und her, sondern erzählt linear die Geschichte der fünf hintereinander, wodurch man sich besser auf das Schicksal der jeweiligen Figur konzentrieren und einlassen kann. Mir gingen vor allem Paulas und Malikas Schicksal besonders nah. Ich denke, dass jede Leserin sich mit der einen oder anderen Figur ein Stück weit identifizieren kann – das Potential dafür ist auf jeden Fall  durch die Vielfältigkeit der Themen gegeben, die hier auf einprägsame Weise und trotz aller Kürze nie oberflächlich bearbeitet werden: Daniela Krien schreibt über offenen Beziehungen, unerfüllten Kinderwunsch, den Tod des eigenen Kindes bis hin zu Abtreibung – alles sensible Themen, die sie aber so einfühlsam behandelt, dass man sich auch als Betroffene(r) verstanden fühlt. 

Der Schreibstil der Autorin hat mich außerdem von der ersten Seite an angesprochen: Sie schreibt angenehm unaufgeregt, ohne ausschweifende metaphorische Bilder oder Schachtelsätze und beeindruckt stattdessen lieber mit intelligenten, prägnanten Sätzen und einem spannenden Plot. Als Leser möchte man nicht nur erfahren wie sich die L(i)eben von Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde entwickeln, sondern natürlich auch wie das Leben der fünf Frauen miteinander verknüpft ist. 

Mein Fazit:

Kann man im Februar schon vom Buch des Jahres 2019 sprechen? Mir egal, ob man das kann. Ich tu’ es einfach! Kein anderes Buch hat mich seit langem so berührt und nachhaltig beschäftigt wie Daniela Kriens “Die Liebe im Ernstfall”. Der seichte Titel wird diesem vielschichtigen und klugen Roman über das Leben von fünf starken Frauen, die trotz aller schmerzhaften Erfahrungen und Entscheidungen in der Liebe und im Leben, immer versuchen, sich treu zu bleiben. Ich habe mir sofort nach Beendigung des Romans alle bisher erschienenen Bücher der Autorin gekauft. Mehr muss man über “Die Liebe im Ernstfall” und Daniela Kriens erzählerisches Talent eigentlich gar nicht wissen. 

 
Vielen Dank an den Diogenes Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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