|Rezension| Allegro Pastell – Leif Randt

von | Jun 1, 2020 | 0 Kommentare

Dieses Buch macht mich aggressiv! 

Gebundene Ausgabe: 22,00 Euro
Ebook: 18,99 Euro
Erscheinungsdatum: 05.03.2020
Seiten: 288

„Ich habe in den letzten zwei Jahren mehr darüber nachgedacht, wie es sein würde, dreißig zu werden, als jetzt. Es fühlt sich zu Ende gedacht an. Die Antwort ist die gleiche wie vor jedem anderen Geburtstag. Es wird darum gehen, das neue Alter zu ästhetisieren. Und mit dreißig geht es vielleicht sogar darum, eine ganze Dekade zu ästhetisieren. Das ist durchaus attraktiv. Stell dir vor, vor dir liegen deine Dreißiger und du weißt, dass du keine Kinder willst. What a playground!“ (S.62f.)

Anmerkung: Normalerweise zitiere ich hier besonders schöne Textstellen eines Buches. In diesem Fall ist es eine Textstelle, die sehr trefflich zeigt, warum “Allegro Pastell” und ich keine Freunde geworden sind.

Inhalt

Leif Randt erzählt vom Glück. Von Tanja und Jerome, von Wirklichkeit und Badminton, von idealen Zuständen und den Hochzeiten der anderen. Eine Lovestory aus den späten Zehnerjahren. Tanja Arnheim, deren Debütroman PanoptikumNeu Kultstatus genießt, wird in wenigen Wochen dreißig. Mit Blick auf den Berliner Volkspark Hasenheide wartet sie auf eine explosive Idee für ihr neues Buch. Ihr fünf Jahre älterer Freund, der gefragte Webdesigner Jerome Daimler, bewohnt in Maintal den Bungalow seiner Eltern und versucht sein Leben zunehmend als spirituelle Einkehr zu begreifen. Die Fernbeziehung der beiden wirkt makellos. Sie bleiben über Text und Bild eng miteinander verbunden und besuchen sich für lange Wochenenden in ihren jeweiligen Realitäten. Jogging durchs Naturschutzgebiet und Meditation im südhessischen Maintal, driftende Dauerkommunikation und sexpositives Ausgehen in Berlin – Jerome und Tanja sind füreinander da, jedoch nicht aneinander verloren. Eltern, Freund*innen und depressive Geschwister spiegeln ihnen ein Leid, gegen das Tanja und Jerome weitgehend immun bleiben. Doch der Wunsch, ihre Zuneigung zu konservieren, ohne dass diese bieder oder schmerzhaft existenziell wird, stellt das Paar vor eine große Herausforderung.

Mein Eindruck

Es hat so gut angefangen mit uns: Wunderschönes Cover, mysteriöser Titel und eine Inhaltsbeschreibung, die bei mir sofort zündete. Doch dann begann ich zu lesen und wusste bereits nach 20 Seiten: Das wird nichts mit mir und “Allegro Pastell”. 

Dass dieser Roman ein Porträt meiner Generation sein soll, kann wirklich nur ein schlechter Scherz sein. Ich kenne niemanden, der auch nur ansatzweise Ähnlichkeiten mit den beiden Hauptfiguren Tanja (29) und Jerome (35) hat. Um ehrlich zu sein, bin ich auch sehr froh darüber. Er ist erfolgreicher Web-Designer, der sich nicht etwa ein Teil-Auto mietet, wenn er einen Wagen benötigt, sondern einen Tesla (natürlich!) und der allein in seinem ehemaligen Elternhaus lebt und keinen geregelten Tagesablauf hat. Sie hat einen erfolgreichen Roman geschrieben, geht gern nachmittags auf Partys, auf denen sie Ecstasy nimmt und bis nachts durchfeiert und nennt ihren Freund “Boyfriend”. Beide führen eine Fernbeziehung, die im Wesentlichen durch schriftliche Kommunikation per Mail und Kurznachrichten aufrecht erhalten wird. Diese Darstellungsweise lässt beide nicht nur unerträglich distinguiert, sondern auch sehr unnahbar wirken, wodurch sie als Identifikationsfiguren schon mal nicht taugen.

Neben der Tatsache, dass die beiden Protagonisten soweit von meiner Wirklichkeit entfernt sind wie Marsmännchen, haben mich zwei Dinge in diesem Roman derart gestört, dass ich ihn nach 70 Seiten völlig entnervt abgebrochen habe. Zum einen ist das die Art und Weise wie Leif Randt seine Figuren miteinander kommunizieren lässt: “Jerome-Baby (…), ich habe das nicht als Kritik gemeint. Es ist cute, wenn du Sachen mehrfach erzählst.” Ernsthaft? So spricht doch niemand (!) Anfang 30. 

Was mir aber noch mehr auf die Nerven ging, waren die ständigen Selbstreflexionen. Die waren, so würde Tanja wohl sagen, erheblich over the top. Natürlich sind innere Monologe wichtig, um die Figuren dem Leser näher zu bringen, zumal (zumindest auf den ersten 70 Seiten) nicht wirklich viel im Roman passiert, aber das was Leif Randt hier abliefert, ist fernab jeglicher Realität. Es ist vermutlich ein richtiger Ansatz, dass Selbstreflexion in unserer Generation eine bedeutendere Rolle spielt als in den vorhergehenden. Prinzipiell ist das ja auch eine begrüßenswerte Entwicklung und es gibt sicher Menschen, die besonders selbstreflexiv sind und andere, denen diese Eigenschaften nicht inhärent ist, aber dass die Kommunikation eines Paares quasi ausschließlich aus den Gedanken über sich selbst besteht, ist nicht nur unrealistisch, sondern auch unfassbar nervig. 

Mein Fazit:

Insgesamt wirkt diese überspitzte Darstellung zweier moderner Großstädter sehr künstlich und gewollt. Mag sein, dass es Leser gibt, die diesen Stil interessant finden, schließlich war der Roman ja auch für den Leipziger Buchpreis nominiert. Für mich war dieser emotionslose, hippe, durchgestylte, distanzierte Stil etwas, mit dem ich gar nicht klar kam. Vor allem dann nicht, wenn der Roman als ein Porträt meiner Generation verstanden werden will. 

 
Vielen Dank an Kiepenheuer & Witsch für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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