|Rezension| Ein Ehebruch – Edoardo Albinati

von | Dez 29, 2020 | 0 Kommentare

Viel Sex, keine Emotionen und ganz viel “alter, weißer Mann”…

Originaltitel: Un adulterio
Übersetzung: Verena von Koskull
Gebundene Ausgabe: 20,00 Euro
Ebook: 14,99 Euro
Erscheinungsdatum: 04.11.2019
Seiten: 126

„Während sie sprach und dann schwieg, hörte Erri nicht wirklich hin, er erfasste den Sinn ihrer Worte nicht recht, abgelenkt durch eine geometrische Form, die er einfach nicht aus dem Kopf bekam: den aus einem schwarzen Slip und einem gelben Oberteil bestehenden Bikini, den Clementina während der Umrundung der Insel am vorigen Samstag kurz getragen hatte, um ihn sogleich wieder auszuziehen.“ (S.122)

Inhalt

Schachmatt durch Dame? Erri und Clementina verbringen ein Wochenende auf einer kleinen Insel im Mittelmeer. Beide sind sie verheiratet, aber nicht mit einander. Die gestohlenen Momente dieser Tage erscheinen ihnen überdeutlich, übergroß… Was zieht einen hin zu einem Menschen, den man eigentlich kaum kennt? Was wird aus so einer Liebe? Präzise, ja ungerührt schildert Albinati eher einen Kampf als die Verschmelzung von Körpern und Seelen. Er lässt seine Helden Zug um Zug erzählen und enthüllt dabei, wie es zu ihrer Verbindung kam, aber auch die Koffer, die sie jeweils am Quai stehen ließen. Ob man eine Affäre hatte, vielleicht gern eine hätte, oder schon die Idee entrüstet ablehnt – in diesem Roman findet sich jeder liebende Mensch wieder.

 

Mein Eindruck

Der nüchterne Titel “Ein Ehebruch” von Edoardo Albinatis in Kombination mit dem sinnlichen Covermotiv einer nackten Frau hat mich neugierig auf diesen Roman gemacht. Ebenso der Klappentext, der den Vergleich mit Arthur Schnitzler zieht, den ich als Autor sehr mag. Außerdem verspricht der Klappentext, dass sich jeder liebende Mensch in dieser Geschichte wiederfinden würde. Ich halte das für eine sehr kühne Behauptung und kann sie am Beispiel meiner selbst auch gleich widerlegen.

Die Geschichte von Clementina und Erri ist schnell erzählt: Beide sind verheiratet, nur nicht miteinander. Beide belügen ihre Partner, um ein gemeinsames Wochenende im Sommer auf einer kleinen Insel zu verbringen. Der Roman startet mit der Fährüberfahrt zur Insel und endet mit der Fährüberfahrt zurück zum Festland. Versprochen wird eine melancholisch-erotische Liebesgeschichte in der Tradition von Maupassant, Keyserling und Schnitzler. Was man stattdessen geboten bekommt ist eine emotionslose Aufzählung wann die beiden wo Sex miteinander haben. Als wäre das nicht schon trostlos genug, spart sich Albinati dabei erotische Details, es geht vielmehr darum, zu zeigen, dass Clementina und Erri bei jeder sich bietenden Gelegenheit übereinander herfallen. Dabei wird auch noch das Klischee einer Affäre, in dem die Frau sich emotional tief auf Mann einlässt, dieser wiederum eigentlich nur seinen Spaß haben will, bedient. Eindrücklich war vor allem die Szene, in der Clementina Erri das erste Mal “Ich liebe dich” sagt (wohlgemerkt nachdem sich die beiden 3 Wochen kennen), er darauf allerdings nicht reagiert. Das mag legitim oder auch realistisch sein, was allerdings nicht realistisch ist, ist die Art wie Clementina mit dieser Form der Zurückweisung umgeht, nämlich gar nicht. Obwohl der Autor den Leser immer wieder die männliche und weibliche Perspektive einnehmen lässt, bleiben die Figuren blutleer, die wirklich spannenden Details dieser Affäre (Warum spielen beide mit dem Feuer? Wie geht Clementina mit der Emotionslosigkeit Erris um? Wie stellen sich beide ihre Zukunft vor?) unbeleuchtet. Zwar wirft er all diese Fragen durchaus immer wieder mittels schwülstiger Sätze auf, aber er lässt sie seine Figuren nicht beantworten. Das Geschriebene transportiert keine Emotionen. Die einzige Emotion, die dieser Roman bei mir hervorgerufen hat, war ein Augenrollen. 

“Ein Ehebruch” liest sich eher wie eine Aneinanderreihung der Sexphantasien eines alten, weißen Mannes, der es genießt, begehrt zu werden – ohne Rücksicht auf Verluste (siehe Zitat oben). Ich wurde das Gefühl nicht los, dass der Autor zwar versucht, mittels möglichst schöner Sprache eine Affäre zu sezieren, aber eigentlich selbst nicht weiß, wie zwei Menschen sich in solch eine Lage manövrieren können. 

Mein Fazit:

“In diesem Roman findet sich jeder liebende Mensch wieder” – Nein. In diesem Roman findet sich jeder emotionslose Mann wieder, der davon träumt möglichst viel Sex an einem Sommer-Wochenende auf einer Mittelmeer-Insel mit einer Frau zu haben, die nicht seine Ehefrau ist. 

 
Vielen Dank an den Berlin Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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