|Rezension| Frauen, die lieben – Emma Straub
Der etwas andere Liebesroman
„An der Jugend war nichts fair: Die Jungen hatten nichts getan, um sie zu verdienen, und die Alten konnten nichts dafür, wenn sie sich allmählich davonstahl.” (S.125)
Worum geht´s?
Was ist nach einem halben Leben von den Träumen und Hoffnungen der Jugend übrig?
Durch einen Zufall findet Elisabeth, die in Brooklyn als Immobilienmaklerin arbeitet, heraus, dass ihr Mann Andrew sie vor Jahren betrogen hat. Elisabethʼ beste Freundin Zoe quält derweil der Gedanke, dass sie und ihre Frau Jane zwar als Geschäftspartnerinnen noch immer hervorragend funktionieren, die Gefühle im Alltag aber auf der Strecke geblieben sind. Und während die Mittvierziger mit alten Träumen und neuen Chancen hadern, machen ihre fast erwachsenen Kinder Harry und Ruby sich bereit, diesem Sommer ihren Stempel aufzudrücken und ins Leben aufzubrechen.
Cover und Titel
Mein Eindruck
Lustigerweise bin ich nicht wegen des bunten Covers, sondern wegen des Namens der Autorin auf diesen Roman aufmerksam geworden. Ich dachte nämlich bei der Autorin handele es sich um die Frau Straub aus dem Autorenduo “Borger & Straub”, deren Bücher ich alle gelesen habe. Erst beim Lesen fiel mir dann auf, dass “meine” Frau Straub ja aus Deutschland stammt, während Emma Straub ganz offensichtlich Amerikanerin ist. Letztlich bin ich über diese Verwechslung aber sehr dankbar, da ich “Frauen, die lieben” sonst vermutlich gar nicht gelesen hätte.
Die Geschichte dreht sich um vier alte College Freunde, die zusammen eine Band gegründet haben, spielt aber 20 Jahre nach ihrer gemeinsamen Jugend. Mittlerweile ist eine der vier verstorben, zwei sind miteinander verheiratet und die vierte ist mit einer Frau verheiratet. Beide Paare haben jeweils ein fast erwachsenes Kind und leben in der gleichen Straße in einem schicken Stadtteil von New York.
Emma Straub erzählt in “Frauen, die lieben” über zwei Generationen zweier Familien: Über die Eltern, die seit 20 Jahren befreundet sind, sich trotz scheinbar gleicher Voraussetzungen ganz unterschiedlich entwickelt haben und nun jeder mit der Bewältigung seiner eigenen Probleme beschäftigt ist. Andrew weiß nichts mit seinem Leben anzufangen und sucht nach einer neuen Aufgabe, Elisabeth ist ein Workaholic als Immobilienmaklerin und sucht die Perfektion ihres Jobs auch in ihrem Zuhause. Zoe und Jane stehen kurz vor der Scheidung und müssen sich fragen, ob die Rettung ihrer Ehe überhaupt noch möglich. In gleichem Maße spielt aber auch das Leben der Kinder der beiden Paare – Harry und Ruby – eine zentrale Rolle. Beide könnten nicht unterschiedlicher sein (er der brave Junge, der noch nie Probleme gemacht hat, sie die Rebellin, die am laufenden Band Ärger macht). Diese Vielfältigkeit des Romans, bei dem zur Abwechslung mal nicht nur die Teenagerprobleme ode Erwachsenenprobleme thematisiert, sondern beide intelligent miteinander verwoben werden, macht “Frauen, die lieben” aus.
Emma Straubs Schreibstil hat mir wahnsinnig gut gefallen: Sehr päzise, ohne Phrasen, ellenlange Schachtelsätze und stets mit einem lakonischen Unterton. Vor allem ihre lesbischen Protagonisten haben mir ausnehmend gut gefallen, da hier keine Klischees bedient werden, sondern die Beziehung als solche im Vordergrund steht und nicht das Geschlecht der beiden. Trotzdem scheut sich die Autorin nicht bestimmte Besonderheiten dieser Liebe auch als solche zu benennen. Gleiches gilt für die sich entwickelnde Beziehung zwischen Harry und Ruby. Die klassischen Elemente einer Teenagerbeziehung werden hier (glücklicherweise) außer Acht gelassen. Vielmehr hat man hier mit zwei sehr individuellen und differenzierten Charakteren zu tun, deren nächster Schritt nicht vorhersehbar ist und – auch wenn ihre Probleme die gleichen wie die jedes Teenagers sind (Zukunftsängste, Liebe, Stress mit den Eltern) – der Geschichte damit jeglichen Kitsch erspart.
Obwohl es in diesem Roman um existenzielle Fragen geht und Emma Straub diese auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit verarbeitet, ist “Frauen, die lieben” kein deprimierendes Buch. Vielmehr wird ihm durch witzige Dialoge und den generell lakonischen Unterton eine Leichtigkeit verliehen, die daraus eine Wohlfühlbuch für anspruchsvolle Leser(innen) machen.
Mein Fazit:
Ich verstehe gar nicht, warum “Frauen, die lieben” bisher so wenig Beachtung geschenkt wird. Lasst euch bitte nicht von dem etwas schmalzigen Titel abschrecken und lest diesen sehr vielschichtigen, intelligenten und ehrlichen Familienroman über zwei Generationen, in dem sich Emma Straub mit viel Ernsthaftigkeit einerseits und witzigen Dialogen andererseits einen Platz in meinem Leserherz erobert hat. Ganz klare Leseempfehlung!