|Rezension| Komm her und lass dich küssen – Griet Op de Beeck

von | Feb 15, 2017 | 0 Kommentare

Verhinderter Bestseller durch unpassenden Titel

Verlag: btb
Originaltitel: Kom hier dat ik u kus
Übersetzung: Isabel Hessel
Taschenbuch: 9,99 Euro
Ebook: 8,99 Euro
Erscheinungsdatum: 11.08.2016
Seiten: 448

„Lügen ist in unserer Familie ein Nationalsport, das haben wir so gelernt, als wir noch kleine Kinder waren, es steckt bei uns im Körper, wie bei anderen Menschen Blut oder Wasser.“ (S.171)

Worum geht´s?

Mona ist neun, als ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt. Fortan kümmert sie sich um den kleinen Bruder und versucht, den Erwachsenen nicht im Weg zu sein. Artig und gleichzeitig unsichtbar sein, lautet ihr Überlebensmotto. Mona ist Mitte zwanzig, als sie die große Liebe trifft. Doch wie tritt man ein fürs eigene Glück? Mona ist Mitte dreißig – und will nun endlich begreifen, wie Leben wirklich geht … Dies ist die Geschichte von Mona, als Kind, als junge Frau, als Erwachsene. Eine Geschichte darüber, wie wir werden, wer wir sind. Über gebrochene Lebensläufe und die Suche nach dem Sinn. Über die Angst vor dem Starksein. Über den Mut, sich allem zum Trotz ins Leben zu stürzen. Und natürlich über die Liebe. Auch zu uns selbst.

Cover und Titel

Lange habe ich nicht mehr so mit meiner Meinung über einen Titel gehadert. Einerseits war „Komm her und lass dich küssen“ ein Titel der mich neugierig gemacht hat – allerdings nur in Verbindung mit diesem kryptischen Cover (ich habe keine Ahnung, was das Hintergrundmotiv eigentlich darstellt) und dem btb-Verlag, denn so war bereits auf den ersten Blick klar, dass es sich hier nicht um eine seichte Liebesgeschichte handeln kann.

Im Nachgang der Lektüre muss ich feststellen, dass der Titel nicht im geringsten einen Eindruck von der Geschichte vermittelt, weshalb ich ihn eigentlich unpassend finde. Andererseits hatte eben jener mich neugierig gemacht, also könnte man konstatieren „Zweck erfüllt“. Da der Titel aber die 1:1 Übersetzung des Originaltitels ist, wird sich die Autorin/der Verlag vermutlich etwas dabei gedacht haben.

Mein Eindruck

„Komm her und lass dich küssen“ stand einige Wochen ungelesen im Regal, weil ich mich ein bisschen geziert habe aufgrund des seltsam romantischen Titels, der so gar nicht zu der Buchbeschreibung passt.

Der Roman, der aus der Sicht der Protagonistin Mona erzählt wird untergliedert sich in 3 große (Lebens-)Abschnitte, die jeweils in einzelne Kapitel geteilt sind, deren Nummerierung bei jedem ´der drei Abschnitte von vorn beginnt. Griet Op de Beeck passt Monas Erzählstil ihrem jeweiligen Alter an, so beginnt das Buch in der Sprache einer Neunjährigen, was ich anfangs etwas irritierend und störend empfand, weil sie Dinge eben mit der Naivität und dem Wortschatz eines Kindes schildert. Ich habe das Buch deshalb anfangs immer wieder mal weggelegt und wirklich einige Seiten gebraucht, mich daran zu gewöhnen. Es folgen dann noch die Abschnitte von Mona auf dem Weg zur jungen Frau und der erwachsenen Mona, die sprachlich ebenso entsprechend ihres Alters umgesetzt sind, so dass ich den dritten und letzten Teil sprachlich am ansprechendsten fand. Das ist gar nicht negativ gemeint. Vielmehr hat es mich beeindruckt wie flexibel und authentisch die Autorin ihr Erzähltalent einsetzt. Man kann nur eben nicht behaupten, dass die Erzählungen einer Neunjährigen besonders schön zu lesen sind.

Das Besondere an diesem Roman ist die Tatsache, dass man die Protagonistin durch etwa 30 Jahre ihres Lebens begleitet und damit ihre Entwicklung vom jungen Mädchen zur erwachsenen Frau miterlebt, die durch ihre schwierigen Familienverhältnisse geprägt, unterschwellig immer auf der Suche nach Liebe und Rückhalt ist. In Monas Geschichte nimmt ihre Familie einen großen Raum ein. Es ist schwierig hier ins Detail zu gehen, ohne zu viel zu verraten, aber da Spannende hierbei ist, dass Monas Kindheit und Beziehung zu ihrer Familie oberflächlich wohl als intakt bezeichnet werden kann, aber unterschwellig durch Lügen, Verschweigen und Manipulation bestimmt wird. Hier gibt es kein Mädchen, dass offensichtlich misshandelt oder vernachlässigt wird und doch kann man bei genauerem Hinsehen im Verhalten ihrer Eltern davon sprechen.

Griet Op de Beeck schreibt sehr einfühlsam und verzichtet dabei auf blumige Metaphern und emotionale Dialoge. Vielmehr legt sie den Fokus auf detaillierte Beobachtungen und das Ungesagte zwischen den Zeilen. Die Einsamkeit der Protagonistin wird nie als solche thematisiert und ist dennoch stets präsent – das ist es, was diesen Roman ausmacht. Und auch ohne offensichtliche Gefühlsbekenntnisse und dramatische Szenen ist diese Geschichte von Anfang bis Ende fesselnd.

Mein Fazit:

Griet Op de Beeck zeigt in „Komm her und lass dich küssen“ wie stark ein Mensch durch seine Kindheit geprägt wird, wie schwierig es ist, alte Verhaltensmuster abzulegen und zu sich selbst zu finden. Keine der 448 Seiten ist dabei zu viel und auch ohne dramatische Szenen und emotionale Dialoge hat Monas Geschichte mich vor allem durch viele kluge Gedanken und authentische Einblicke tief berührt. Die nächsten Werke der Autorin werde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

 

Vielen Dank an den btb Verlag und das Bloggerportal für dieses Rezensionsexemplar.
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