|Rezension| Splitter – Leslie Jamison

von | Jul 18, 2024 | 0 Kommentare

Ein sehr, sehr kluges Buch über das Frausein

Verlag: Claassen
Originaltitel: Splinters
Übersetzung: Sophie Zeitz
Gebundene Ausgabe: 23,00 Euro
Ebook: 18,99 Euro
Erscheinungsdatum: 29.02.2024
Seiten: 304

„Wie bei den vielem Wurzelbehandlungen, die ich mit Anfang zwanzig machen lassen musste, dachte ich auf dem Heimweg: Ich zahle Tausende von Dollar, die ich nicht habe, für eine Erfahrung, die ich nie machen wollte.” (Anm.: Scheidung) (S.133)

Inhalt

In ihrem bisher persönlichsten Buch fragt Leslie Jamison, welche Bereiche unseres Selbst verborgen bleiben, und richtet dabei den Blick auf sich – als Mutter, Ehefrau, Kritikerin und Autorin. 

Splitter versammelt Erinnerungen, Reflexionen und Geschichten, die sich bis in die tiefsten, noch unerforschten Bereiche des Selbst vortasten. Auf brutal ehrliche und berührend sanfte Weise fügt Jamison die Bruchstücke eines Lebens, die Scherben einer Ehe so zusammen, dass ein Bild der Wirklichkeit entsteht, voller Risse, Ecken und Kanten. Mit der ihr eigenen Sensibilität und Klarheit erzählt sie von der exklusiven Liebe zum Kind und der Suche nach einem Zufluchtsort in der Konfrontation mit Kunst – und zeigt, dass sie zu den genausten Beobachterinnen der amerikanischen Gegenwartsliteratur gehört. 

Mein Eindruck

Auf dem Buchumschlag wird Jovana Reisinger zitiert mit “Leslie Jamison schreibt Märchen ohne Happy End. Wir brauchen mehr davon.” – Dieser Satz war es, der mich bewogen hat, dieses Buch zu lesen. Eigentlich habe ich gerade genug von Büchern über das Frausein und Muttersein, einfach weil ich in den letzten Jahren so viele davon gelesen habe. Trotzdem fasziniert es mich immer wieder wie unterschiedlich Autorinnen über genau diese Themen schreiben können.

Auch ohne Leslie Jamisons Hintergründe zu kennen, spürt man sehr schnell, dass dieses Buch autofiktional ist. Nicht nur, dass sie die “Ich”-Perspektive wählt und von ihrem Autorinnendasein schreibt, es ist auch die Anonymisierung ihres Ex-Mannes, der im Buch nur “C.” heißt, wohingegen Freundinnen sehr wohl beim Vornamen genannt werden. Leslie Jamison schreibt über die Liebe, über das Mutter werden und Mutter sein, wie ihre Ehe daran zerbricht und wie sie letztlich die Corona-Pandemie als Alleinerziehende erlebt. Ich weiß nicht, wie man dieses Buch empfindet, wenn man diese Stationen des Lebens (noch) nicht durchlaufen hat, aber als jemand, der Vieles des Beschriebenen ebenfalls erlebt hat, empfand ich das Geschilderte als tröstlich. In Jamisons Beschreibungen des Alltäglichen – den Auseinandersetzungen mit dem Vater ihrer Tochter, dem nicht duschen können mit bedürftigem Baby, dem Wunsch wieder als Frau wahrgenommen zu werden und dem Versuch, sich darüber neu zu definieren – all dies sind Dinge sind nicht besonders, aber wie sie erzählt werden, ist besonders. Die Autorin findet so treffende Beschreibungen für Gefühle, die man kennt, z.B. hier: “Vor allem aber schützte mich seine Wut vor meinen Zweifeln. Je wütender er wurde, desto weniger vorstellbar war eine Version meines Lebens, in der ich bei ihm geblieben wäre.” (S.161) Ich habe in diesem Buch ungewöhnlich viele Textstellen markiert, weil Leslie Jamison eine brillante Schriftstellerin ist. Trotz der tristen Thematik hatte ich Spaß beim Lesen, einfach weil dieses Buch so unfassbar gut geschrieben ist.

Was mir außerdem gut gefallen hat, ist wie reflektiert die Autorin über ihre Erfahrungen schreibt. Beispielsweise ist sie sich sehr wohl darüber im Klaren wie privilegiert sie trotz ihrer Lage ist. Beispielsweise hat sie – wenn nicht gerade ein Kontaktverbot in einer Pandemie angeordnet ist – stets die Unterstützung ihrer Mutter, die ihr z.B. ermöglicht, ihren Beruf und die damit verbundenen Reisen weiter ausüben zu können.

 

Mein Fazit:

Leslie Jamison schreibt in “Splitter” schonungslos ehrlich über das Leben als Frau, Mutter, Tochter, Ehefrau und  Schriftstellerin. Dabei liegt der Fokus auf dem Ende ihrer Ende und ihrer Mutterschaft. Auch wenn das Themen sind, über die schon viele, viele Bücher geschrieben wurde, sollte man dieses lesen, weil es ein brillantes Psychogramm einer Frau ist, das vor allem eins ist: tröstlich.

Vielen Dank an den Claassen Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 
 
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