|Rezension| Olga – Bernhard Schlink
Beeindruckende Lebens- und Liebesgeschichte
„Ich liebe deine Fähigkeit, Dich zu begeistern, Dich zu verschwenden, Dein Herz über die Hürde zu werfen, ich liebe Dein Leuchten. Du bist so, ich kann Dich nicht so lieben und gleichzeitig erwarten, dass Du vernünftig bist.” (S.224)
Worum geht´s?
Die Geschichte der Liebe zwischen einer Frau, die gegen die Vorurteile ihrer Zeit kämpft, und einem Mann, der sich mit afrikanischen und arktischen Eskapaden an die Träume seiner Zeit von Größe und Macht verliert. Erst im Scheitern wird er mit der Realität konfrontiert – wie viele seines Volks und seiner Zeit. Die Frau bleibt ihm ihr Leben lang verbunden, in Gedanken, Briefen und einem großen Aufbegehren.
Cover und Titel
Mein Eindruck
Seit “Der Vorleser” habe ich einige Werke von Bernhard Schlink gelesen, aber keines hat mich so berührt wie sein wohl bekanntester Roman. Als ich die Kurzbeschreibung von “Olga” las, war ich guter Dinge, dass diese Geschichte mich genauso begeistern kann wie “Der Vorleser”. Vermutlich war es der zeitgeschichtliche Hintergrund, der gewisse Parallelen zu der Geschichte des Vorlesers erhoffen lies.
Schlinks Schreibstil ist ähnlich wie beim “Vorleser” sehr klar und prägnant, trotzdem niemals anspruchslos oder platt. Vielmehr liegt in seinen knappen Äußerungen oft so viel Subtext, den man im ersten Moment vielleicht gar nicht erkennt, dass er mich immer wieder durch seine klugen Sätze beeindruckt.
Untergliedert ist “Olga” in drei etwa gleich lange Teile, die sich klar voneinander abgrenzen und die ich im Folgenden getrennt voneinander bewerten möchte. Im ersten Teil erfährt der Leser aus Olgas Perspektive ihre Lebens- und Liebesgeschichte. Sie erzählt wie sie als junges Mädchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Herbert kennen- und lieben lernt, wie sie – für Frauen damals noch unüblich – um Bildung kämpft und ihr Leben trotz einiger herber Schicksalsschläge stets mit einer positiven Grundhaltung meistert. Diese Lebensgeschichte ist kurzweilig und interessant, allerdings fragte ich mich während des Lesens die ganze Zeit, warum die Geschichte der Protagonistin, die auch auch noch Titelgeberin des Romans ist, so schnell abgehandelt wird und was auf den verbleibenden 200 Seiten wohl noch folgen möge.
Es schließt sich im Mittelteil die Erzählung eines Weggefährten Olgas an, der aus seiner Sicht über Olga und ihr Leben berichtet. Dieser zweite große Teil des Romans knüpft zwar an den ersten an und ist als dessen Ergänzung zu betrachten, er ist aber meiner Meinung nach der schwächste der drei Teile, weil er sich zu sehr in die Länge zog und teilweise wie eine künstliche Aufbauschung der Geschichte wirkte.
Der dritte und letzte Teil des Romans ist mein Favorit gewesen. Nicht nur, weil der Leser hier nun endlich die im Klappentext angekündigte Liebesgeschichte in Form von Liebesbriefen geboten bekommt, sondern auch, weil am Ende viele Fragen, die man sich unweigerlich bisher gestellt hat, beantwortet werden. Die Emotionen, die ich bis dato vermisst hatte, werden durch die Liebesbriefe Olgas an ihren Herbert in wunderschöner Sprache, die klar und gefühlvoll zugleich ist, perfekt transportiert. Das Ende “Olgas” überzeugte mich deshalb auf ganzer Linie und lies mich das Buch zufrieden aus der Hand legen.
Mein Fazit:
Bernhard Schlinks “Olga” ist wie sein “Der Vorleser” eine Geschichte, die im Deutschland des 20. Jahrhunderts verortet ist. Es ist einerseits eine wunderschöne Liebesgeschichte, geprägt von politischen und historischen Ereignissen; andererseits das Porträt einer besonderen Frau, die ihren steinigen Weg mit einer bewundernswerten Gelassenheit und einer sympathischen Eigensinnigkeit geht, ihre Hoffnung nie verliert und die man dabei gerne begleitet.