|Rezension| Es ist Sarah – Pauline Delabroy-Allard

von | Aug 28, 2020 | 0 Kommentare

Die Geschichte einer obsessiven Liebe

Originaltitel: Ça raconte Sarah
Übersetzung: Sina de Malafosse
Gebundene Ausgabe: 20,00 Euro
Ebook: 15,99 Euro
Erscheinungsdatum: 10.09.2018
Seiten: 192

„Im Taxi nach Hause zählen wir zusammen, was wir getrunken haben, und das Ergebnis reicht nie aus als Erklärung für die Trunkenheit, die uns beflügelt. Weil der Rausch von den gemeinsam verbrachten Stunden kommt, von dem Irrsinn dieses Lebens, das wir auf der Überholspur führen, Zeit, die wir der Zeit stehlen. Daran erinnere ich mich. Seit wir zu zweit sind, herrscht die Magie.“ (S. 120)

Inhalt

Sie kommt zu spät, atemlos lachend, sie ist voller Leben. Sie spricht zu laut, zu schnell, sie ist zu stark geschminkt, ein Moment wie in Zeitlupe: Es ist Sarah. Am Silvesterabend begegnen sie sich zum ersten Mal: die Erzählerin, eine Lehrerin und frisch getrennte junge Mutter, und Sarah, die hochbegabte und exaltierte Violinistin. Beide leben in Paris, auf den ersten Blick vielleicht das Einzige, was sie verbindet. Sarah ist temperamentvoll, impulsiv, leidenschaftlich, die Erzählerin eher kontrolliert, unauffällig. Eine Freundschaft entspinnt sich zwischen diesen unterschiedlichen Frauen, die in einem Crescendo zu einer Amour fou anhebt, die alles hinfortfegt, was die Erzählerin zuvor gelebt hat: die Trennung von ihrem Ex-Mann, ihr Hadern, ihre Selbstbeherrschung. Doch so schnell und alles verzehrend ihre Leidenschaft entflammt, desto verheerender wird die Harmonie zerstört. Als Sarah erkrankt, flieht die Erzählerin nach Triest, streift alles ab außer der Erinnerung an ihre große tragische Liebe.

Mein Eindruck

Bei diesem Roman bin ich mal wieder dem Cover zum Opfer gefallen. Marketingmäßig hat der Verlag also schon mal alles richtig gemacht. Die Tatsache, dass es sich bei „Es ist Sarah“ um einen französischen Roman über die Liebe handelt, war allerdings auch sehr zuträglich. 

Wie im Rausch las ich die erste Hälfte des knapp 200 Seiten umfassenden Romans, in der es um das Kennenlernen, verlieben und schließlich Lieben zwischen zwei Frauen geht. Genauso intensiv und emotional wie die Liebe zwischen den Beiden ist auch die Sprache von Pauline Delabroy-Allard. Es fasziniert mich immer wieder wie französische Autor*innen über die Liebe schreiben ohne dabei ins Kitschige zu driften. Hier gibt es keine zaghafte Annäherung, ein Abwägen oder seltsame Spielchen, die heutzutage gerne gespielt werden. Vielmehr ist es eine intensive, tiefe und beidseitige Liebe von 0 auf 100, deren Rauschhaftigkeit eine zu Beginn selig grinsend lässt bis sich irgendwann bereits erahnen lässt, dass zu viele Emotionen auf Dauer problematisch werden können. 

Delabroy-Allards Schreibstil ist außergewöhnlich: Geprägt von kurzen Sätzen, vielen Wiederholungen und einer rohen Sprache hat er  mich aber sofort gepackt. Nicht zuletzt weil Sarah mich an eine Person erinnert, die ich sehr mag, habe ich sie mit ihrer überdrehten, lauten, exaltierten Art ins Herz geschlossen, sondern vor allem auch, weil sie ein Mensch ist, der sich seinen Emotionen hingibt, sich nicht verstellt und andere mit ihrer Art gleichermaßen verstört wie ansteckt. 

Nun zum großen „Aber“: Der zweite Teil des Romans, in dem die obsessiven Liebe aus dem Ruder läuft, in dem Trauer und Selbstmitleid im Vordergrund stehen, hat mich sehr viel Zeit und sehr viel Kraft gekostet. Davon abgesehen habe ich den Verlauf der Geschichte nicht als realistisch empfunden (Stichwort: Rolle der Tochter der Erzählerin). Das hat mich zunehmend genervt und am Ende des Buchs was ich froh, dass es vorbei war. Ich habe kein Problem mit traurigen Liebesgeschichten ohne Happy End – im Gegenteil: die mag ich sogar am meisten – aber das Leid der Erzählerin in „Es ist Sarah“ hat mich nicht nur deprimiert, sondern war am Ende schlichtweg nicht mehr glaubwürdig.

Mein Fazit:

Pauline Delabroy-Alline vergleicht die Liebe ihrer Protagonisten mit einem Sturm. Mehr muss man über diesen Roman eigentlich nicht wissen: Aus dem Nichts taucht der Sturm auf, wirbelt alles auf, reißt alles mit und lässt danach ein zerstörtes Feld zurück. Als Leser lässt man sich dank des guten Schreibstils der Autorin sehr leicht von diesem Wirbelsturm mitreißen, wird aber nach knapp 200 Seiten ziemlich zerstört wieder ausgespuckt…

 
Vielen Dank an die Frankfurter Verlagsanstalt für das Rezensionsexemplar.
 
 
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